Spekulation statt Wirklichkeit – Modellvorhersagen statt belastbarer Parameter als Basis der EEG-Novelle

Die Werkzeuge sogenannter Wahrsager sind umfangreich: Kartenspiele, die Kristallkugel, Knochenwerfen und Pendel. Auch aus Handlinien, dem Kaffeesatz und dem Flug der Vögel soll die Zukunft vorhersagbar sein. Wahrscheinlich ist, dass sich der bundesdeutsche Wirtschaftsminister bei den Entwürfen zur Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) jedoch anderer als der genannten Hilfsmittel bedient hat. Auch wenn er und seine juristischen Berater aus allgemeinen, in die Zukunft gerichteten Annahmen spezielle Handlungsmodelle abgeleitet haben, die von anderer Seite als bestenfalls visionär und nicht realitätsnah bewertet werden.

Jedenfalls hat sich nach der Verabschiedung des Novellierungsvorhabens am 23. September durch das Bundeskabinett Widerspruch geregt. Während der Spiritus Rector der Novelle, CDU-Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, von einem klaren Zukunftssignal für mehr Klimaschutz und mehr Erneuerbare Energien sprach, meinte Max Gierkink vom Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität Köln (EWI), dass die künftige Stromnachfrage im Entwurf der EEG-Novelle unterschätzt würde. Denn obwohl Elektrogeräte und die verbundene Peripherie immer effizienter werden, wird allgemein von einem steigenden Stromverbrauch ausgegangen. Ursache dafür ist die Tatsache, dass über die sogenannte Sektorenkopplung mehr elektrische Energie in der Industrie und in den privaten Haushalten sowie im Verkehr verbraucht werden wird: Elektrische »Wärmepumpen ersetzen Gasheizungen, Elektroautos solche mit Verbrennungsmotor. Und grüner, per Elektrolyse hergestellter Wasserstoff verdrängt fossile Brenn- und Kraftstoffe«.

Dummerweise hatten sich Altmaier und seine Truppe bei der Voraussage des Stromverbrauchs »an einer Prognose aus dem Szenariorahmen, der 2018 für den Ausbau der Stromnetze erstellt wurde«, orientiert. Mit den angekündigten zu verschärfenden Klimazielen der EU und den Rechenbeispielen von Energiefachleuten sieht die Welt von morgen für die Erneuerbaren Energien jedoch etwas anders aus. Forscher Gierkink: »Die Elektrifizierung von Industrie-, Verkehrs- und Wärmesektor wird bei der Entwicklung des Stromverbrauchs deutlich stärker ins Gewicht fallen als Effizienzgewinne.« Besonders die Elektrifizierung des Individualverkehrs wird rasant zunehmen. So äußert »Autopapst« Dudenhöfer im Interview, dass die Maschinen und Material-Modifikationen in der Batterietechnologie laut Elon Musk nach 2023 das 25.000-Dollar-E-Auto ermöglichen. »Ob es am Ende 2023 wird oder doch 2025, wird man sehen. Aber klar ist: Tesla bereitet den Einstieg in den Massenmarkt vor und da geht es dann um die Golf-Klasse.« So geht es auch bei den europäischen Autobauern mit großem Schwung in Richtung vollelektrisches Auto.

Höchstvorsorglich wurde zeitgleich zur EEG-Novelle im Kabinett die Novelle des Bundesbedarfsplangesetzes mit Regelungen zum Ausbau der Stromnetze verabschiedet. Das Bundeswirtschaftsministerium verkündet, dass der Erneuerbaren-Ausbau »mit dem dafür notwendigen Netzausbau synchronisiert werden [muss], damit der Strom vom Ort der Erzeugung zu den Verbrauchszentren transportiert werden kann«.

Dadurch wird gleichzeitig eine weitere Schwachstelle des vom Gesetzeswerk zu regelnden Energieversorgungsszenarios unfreiwillig zugegeben. Die Speichertechnologien und die nicht effizient ausgebauten Versorgungsnetze hinken den Ambitionen der EU und des willfährigen Bundeswirtschaftsministers hinterher. Und zwar eklatant. Letztlich hat man den Eindruck, dass mit der Gesetzesnovelle die Gemüter beruhigt und die vermeintlich »grüne« Färbung des Wählerwillens bedient werden sollen. Außerdem werden Förderquellen und Ansprüche neu verteilt, um auch die alternative Energiewirtschaft, die bis dato in unglaublichem Ausmaß Subventionen absaugte, nicht an die Wand fahren zu lassen.

Die von der Kanzlerin vorangetriebene Energiewende mit ihrem fatalen und verantwortungslosen Ausstieg aus der Atomenergie muss offenbar auf Teufel komm raus am Leben erhalten werden. Ansonsten wäre dies nach der missglückten Migrationspolitik und dem katastrophalen Corona-Pandemiemanagement die nächste entscheidende Fehlentwicklung einer GroKo-Politik, die ihr Land und seinen Souverän konsequent seit Jahren missachtet.

Hans Peter Stauch

Jahrgang 1952, ist seit 2016 Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg. Er ist der verkehrspolitische Sprecher der dortigen AfD-Fraktion. Darüber hinaus liegen seine Themenschwerpunkte auf Fragen der Umwelt-, Klima- und Energiepolitik.

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