Frohe Weihnachten? Die Kirchen sind hirtenlos und gottverlassen | Markus Buchheit

Die deutschen Amtskirchen stecken in der Krise. In den letzten Jahren zeigt sich eine zunehmende Entfremdung des Kirchenvolkes von seinen Kirchenführern und ihren Botschaften.

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. forderte in einem Aufsatz, den er 2019 zur Missbrauchskrise in der katholischen Kirche veröffentlicht hatte, die Kirche wieder wirklich als Licht unter den Völkern und als helfende Kraft gegenüber den zerstörerischen Mächten glaubhaft zu machen. Diese Forderung Benedikts scheint ungehört verhallt, denn immer mehr Menschen kehren den Amtskirchen den Rücken. Gründe dafür waren seit 2010 immer wieder auftretende Missbrauchsfälle und aber auch eine damit verbundene, zumindest medial kolportierte Zögerlichkeit der Verantwortlichen bei der Aufklärung dieser schlimmen Verfehlungen. Offenbar liegt das Problem jedoch mittlerweile woanders, denn gerade die jüngsten Vorfälle im Bistum Speyer, in welchem sich Bischof Karl-Heinz Wiesemann darum bemüht, zahlreiche Missbrauchsfälle in den 1960er- und 1970er-Jahren in einem Kinderheim zu klären, zeigen, dass man kirchlicherseits offenbar zu einer restlosen Aufklärung bereit ist. Es scheint, als trage die Kirche, wenn es um Missbrauchsfälle geht, dem moralischen Verfall in ihren Reihen Rechnung. Doch trotz dieser dringenden Bemühungen spricht die Entwicklung der Mitgliederzahlen eine deutliche Sprache: 2019 traten 272.771 Gläubige aus der katholischen und 270.000 Gläubige aus der evangelischen Kirche aus; insgesamt also 542.771 Personen. In Österreich stieg die Zahl der Austritte aus der römisch-katholischen Kirche im vergangenen Jahr um 14,9 Prozent.

Offiziell wird vermutet, dass die Austritte in personellen, regional problematischen Kirchenamtsbesetzungen oder in Missbrauchsfällen begründet seien. Dabei wurde schon 2012 in einer Studie festgestellt, dass es meist nicht ein einzelnes Motiv ist, das Menschen bewegt, aus der Kirche auszutreten. Vielmehr widerlegt die Studie »Austritt oder Verbleib in der Kirche« des Religionssoziologen Professor Michael N. Ebertz, dass Kirchenaustrittszahlen ein Indikator für einen aktuellen Dissens der Mitglieder mit ihrer Kirche sind. Es scheint eher einfach so, dass die Angebote der Kirchen Erwachsene weder ansprechen noch von diesen für attraktiv gehalten werden.

Dahinter stehen neben den Tendenzen zu einer allgemein verbreiteten Religionslosigkeit und einem nicht näher definierbaren Atheismus, der als eine reine Wohlstandserscheinung zu werten ist, ein offenkundiger Linksruck der Kirchen. Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm äußerte sich zwar im Sommer dieses Jahres gegenüber der Presse dahingehend, dass »Parteipolitik« »ohnehin keine Rolle spielen« dürfe und doch twitterte der frühere Leiter der Evangelischen Nachrichtenagentur ›idea‹, Helmut Matthies: »Seit den 70er-Jahren waren so gut wie alle linksorientiert. Die meisten EKD-Chefs gehörten bzw. gehören ja auch der SPD an.«

Über diesen deutlichen Linksruck bei der aktuell moralisierenden Bewertung der Migrationspolitik, des Umweltschutzes und der »Klimarettung« hat die Kirche beider Konfessionen den spirituellen Kontakt zu ihren Schäflein zur Gänze verloren. Selbst wenn der als Student aus linksradikalem Milieu stammende Bundespräsident anlässlich der Eröffnung der Synodentagung der EKD tönt, »Wir brauchen die Kirche als Kraft, die Orientierung und Halt gibt, die Zusammenhalt fördert. Wir brauchen die Gemeinschaft im Glauben«, so übersieht der »Präsident der Phrasen« (›NZZ‹), dass es der rot-grünen Kirchenführung nicht mehr gelingen will, viele Seelen deutscher Glaubender zu retten. Vielmehr setzen die linksgestrickten Kirchenfürsten auf eine zum Teil kriminelle Rettungspolitik im Mittelmeer, was den islamkritischen, konservativen und patriotischen Christen, aber auch den Hilfsbedürftigen im eigenen Land mit Befremden erfüllen muss.

Auch wenn sich in den 70er-Jahren ein Zusammenbruch der katholischen Moraltheologie ereignete, der die Kirche wehrlos gegenüber den Vorgängen in der Gesellschaft machte, wie das Benedikt der XVI. feststellte, so kann das nur Ursache der aktuellen Verfassung der Amtskirchen sein, aber keinesfalls ein Weg im Sinne eines »Weiter so!«. Erst eine entpolitisierte Kirche, die sich auf ihre seelsorgerischen Aufgaben besinnt und den Glauben als Weg begreift, ohne ihn mit tagespolitischen Problemen zu irritieren, kann wieder Fuß fassen und ein personelles Austrocknen sowie ein Weichen vor der aggressiven Missionierung durch den Islam verhindern.


Markus Buchheit

ist Mitglied des Europäischen Parlaments und stellvertretender Delegationsleiter der AfD. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen auf Fragen des internationalen Handels, der Industriepolitik sowie des Verbraucherschutzes auf EU-Ebene.

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