AfD-Anwalt zum Prozessauftakt in Münster: „Es geht hier nicht um einen Hasenzüchterverein, sondern um eine erfolgreiche Partei!“

Weiträumige Absperrungen, ein starkes Polizeiaufgebot, ein provisorischer Gerichtssaal in der Eingangshalle, 200 Zuschauer, 15.000 Seiten Prozessakten und ein gereizter bis scharfer Ton: Vor dem nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster begann am Dienstag (12.März) mit mehrstündiger Verspätung das Berufungsverfahren zur Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz. Für die Verhandlung sind zunächst zwei Tage angesetzt. Die AfD kündigte vorsorglich an, notfalls bis vor das Bundesverwaltungsgericht zu ziehen.

In Münster verhandelt der Fünfte Senat des Oberverwaltungsgerichts NRW in dieser Woche über eine Klage der AfD gegen ihre Einstufung als „rechtsextremistischer Verdachtsfall“. Im Kern geht es um die Frage, ob der Verfassungsschutz die Partei beobachten darf oder nicht.

Die AfD wird im Prozess durch Rechtsanwalt Christian Conrad von der renommierten Kölner Kanzlei Höcker vertreten. Von Seiten des AfD-Bundesvorstandes nehmen in Münster der Jurist Roman Reusch und Bundesschatzmeister Carsten Hütter teil. Die beiden Bundessprecher und Co-Fraktionschefs Alice Weidel und Tino Chrupalla haben sich mit Verweis auf die Sitzungswoche des Deutschen Bundestages in Berlin entschuldigt.

Die Vorgeschichte des Verfahrens ist schnell erzählt:

►Das Bundesamt für Verfassungsschutz mit Sitz in Köln hatte die Partei 2021 als Verdachtsfall im Bereich Rechtsextremismus eingestuft. Seitdem darf sie mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden. Die AfD klagte gegen diese Einstufung, hatte 2022 vor dem Verwaltungsgericht Köln aber keinen Erfolg. Gegen das Urteil legte sie Berufung ein. Es geht dabei in Münster auch um die Frage, ob der Verfassungsschutz die AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ als extremistischen Verdachtsfall und den inzwischen aufgelösten völkischen „Flügel“ als „gesichert rechtsextremistisch“ einstufen durfte.

Scharfer Ton im Gerichtssaal

Noch bevor das Gericht in die inhaltliche Auseinandersetzung einstieg, verlangte der Anwalt der AfD energisch eine Vertagung. Es sei nicht möglich gewesen, in der Kürze der Zeit auf die im Januar eingereichten rund 4.200 Seiten Dokumente und 116 Stunden Videomaterial entsprechend einzugehen, argumentierte der erfahrene Jurist Christian Conrad.

Außerdem forderte der AfD-Rechtsvertreter Einsicht in Gutachten zur Partei aus Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie in eine bislang nicht veröffentlichte, aber durch Medienberichte bekannt gewordene neue Einschätzung der Gesamtpartei durch das Kölner Bundesamt. Diese soll im Ergebnis darauf hinauslaufen, dass die Partei angeblich bereits „gesichert“ rechtsextremistisch sei. Die Anträge wurden ebenso wie Einwände der AfD gegen die Besetzung des Senats abgelehnt. Der Vorsitzende Richter Gerald Buck warf der AfD „Rechtsmissbrauch“ vor. Prozessbeobachter beschrieben die Tonlage im provisorischen Gerichtssaal als „gereizt“ und „scharf“.

AfD-Anwalt Conrad bekräftigte die Rechtsauffassung der Partei, dass der Inlandsgeheimdienst für die Beurteilung der Partei keine gesetzliche Grundlage habe. „Es geht hier nicht um irgendeinen Hasenzüchterverein” – sondern es gehe um eine erfolgreiche Partei, unterstrich Conrad. Ein Vertreter des Verfassungsschutzes betonte in der Verhandlung, die neue Einschätzung der AfD durch das Bundesamt sei noch nicht final – „es gibt kein fertiges Gutachten“.

Am Vormittag mussten Beobachter zwischenzeitlich den Gerichtssaal verlassen, weil die AfD für einen bestimmten Punkt, der als nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Inhalte betraf, Medienvertreter und Zuschauer ausschließen lassen wollte. Dem folgte der Senat ebenfalls nicht.

Urteilsverkündung offen

Das Gericht hat für Mittwoch (13.März) noch einen zweiten Verhandlungstag angesetzt. Wann es ein Urteil geben wird, war zunächst noch offen. Der stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende, Peter Boehringer, kündigte an, die Partei werde im Falle einer erneuten Niederlage vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ziehen. Angesichts des Umfangs der zu klärenden Fragen wäre eine Entscheidung nach maximal zwei Tagen mündlicher Verhandlung alleine schon Grund für eine Revision, sagte der AfD-Politiker im Deutschlandfunk (Dlf). Das Bundesverwaltungsgericht hätte die Entscheidung des OVG Münster allerdings nur auf mögliche Rechtsfehler hin zu prüfen. Inhaltliche Fragen würden in Leipzig keine Rolle mehr spielen.

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