Es ist eine Medien-Personalie, die der Staatsfunk („tagesthemen“, „heute journal“) geradezu gierig aufsog: Der Springer-Verlag hat seinen wichtigsten Chefredakteur, „Bild“-Chef Julian Reichelt, fristlos gefeuert. Grund sollen – salopp gesagt – Weibergeschichten sein, bei denen Reichelt, dem der Ruf vorauseilt, nichts anbrennen zu lassen, seine privaten Interessen und das berufliche Fortkommen von Kolleginnen vermischt habe. Es geht also, wie man es im Branchenjargon nennt, ums „Hochvögeln“.
Mediendiensten zufolge soll Reichelt gezielt bei Springer-Chef Mathias Döpfner (über den in Berlin seinerseits etliche Gerüchte kursieren) angeschwärzt worden sein. Der Systemclown Jan Böhmermann und der „Popliterat“ Benjamin von Stuckrad-Barre mit besten Kontakten in der Verlagsspitze spielten demnach in der „Causa Reichelt“ eine nicht unwesentliche Rolle.
Im Kern waren die jetzt von der „New York Times“ wieder aufgewärmten und mit angeblichen Wiederholungsfällen angereicherten Vorwürfe seit einem halben Jahr bekannt. Sie hatten zu verlagsinternen Ermittlungen mit der Beauftragung einer renommierten Anwaltskanzlei geführt. Im Zuge dieses „Compliance-Verfahrens“, bei dem auch ein rüder Umgangston in der Redaktion eine Rolle spielte, war Reichelt vorübergehend beurlaubt worden. Nun allerdings ging es bei „Bild“ noch nie zu wie in einem Mädchenpensionat. Es galt das Motto: „Wem es in der Küche zu heiß wird, der sollte nicht Koch werden!“
Weil es aber keine Anhaltspunkte für strafbare Handlungen (z.B. Nötigung) gab und der „Bild“-Chef gelobte, künftig genauer auf die Trennung seines Berufs- und Liebeslebens zu achten, durfte Reichelt wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehren. Er brachte im Frühjahr mit großem Erfolg „Bild“-TV an den Start, das sich mit Formaten wie „Die richtigen Fragen“ und der Talkshow „Viertel nach Acht“ wohltuend von dem Verblödungsgeschwätz des Staatsfunks mit all seinen Illners, Maischbergers, Plasbergs und Wills abhob (mal abgesehen vom großen Ausnahmetalent Markus Lanz).
Jetzt heißt es in einer Mitteilung des Medienhauses Axel Springer: „Als Folge von Presserecherchen hatte das Unternehmen in den letzten Tagen neue Erkenntnisse über das aktuelle Verhalten von Julian Reichelt gewonnen. Diesen Informationen ist das Unternehmen nachgegangen. Dabei hat der Vorstand erfahren, dass Julian Reichelt auch nach Abschluss des Compliance-Verfahrens im Frühjahr 2021 Privates und Berufliches nicht klar getrennt und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt hat.“
„Reichelt hatte mächtige Feinde“: Dreimal darf man raten, wen…
Nur: Wer sich im Hause Springer auskennt, weiß, dass „Bettgeschichten“ schon immer sozusagen Teil der „Unternehmenskultur“ waren. So hatte etwa „Bild“–Totengräber Kai Diekmann seine spätere Ehefrau, die Trivial-Autorin Katja Kessler, bei „Bild“ kennen und lieben gelernt. Insofern scheinen doch einige Fragezeichen hinter dem offiziellen Grund für Reichelts jetzt plötzlichen Rauswurf angebracht zu sein. Interessant ist in diesem Zusammenhang vor allem folgender Umstand:
Die „New York Times“ zitiert eine Nachricht von Konzernlenker Döpfner „an einen Freund“. Darin schreibe der Springer-Chef, man müsse „besonders vorsichtig sein“, weil Reichelt „wirklich der letzte und einzige Journalist in Deutschland“ sei, „der noch mutig gegen den neuen DDR-Autoritätsstaat rebelliert“. Reichelt habe „mächtige Feinde“.
Das legt die Vermutung nahe, dass es auch – wenn nicht sogar vor allem! – politische Gründe waren, die zu Reichelts Sturz geführt haben. Der Flurfunk im Springer-Verlag kolportiert, dass die nach der Teilübernahme durch eine US-„Heuschrecke“ noch immer mächtige Verlags-Patriarchin Friede Springer „einen Hals“ auf den regierungskritischen Reichelt gehabt habe. Dazu muss man wissen: Die Verleger-Witwe und Noch-Kanzlerin Angela Merkel sind beste Teestunden-Freundinnen.
Journalistisch jedenfalls schien Reichelt auf dem richtigen Weg zu sein. Es gelang ihm sogar, den seit der unseligen Diekmann-Ära („refugees welcome“) freien Fall der Printauflage zuletzt etwas abzubremsen. Viele von der CDU–Schranze Kai Diekmann millionenfach vertriebene Leser rieben sich erstaunt die Augen:
„Bild“ teilte plötzlich wieder kräftig aus, feuerte aus allen Rohren gegen den Lockdown-Irrsinn und den Klima-Wahn, stellte die „richtigen Fragen“ bezüglich der ungebremsten Masseneinwanderung mit all ihren Begleiterscheinungen wie Islamismus und Antisemitismus. Es war Reichelt höchstpersönlich, der erst vergangene Woche noch mit „RKI“-Chef Lothar Wieler nach dessen (jetzt doch) Corona-Grippe-Vergleich abrechnete.
Nicht von ungefähr sieht die regierungsnahe „Süddeutsche Zeitung“, aus deren Redaktionsstall übrigens der neue „Bild“-Chef Johannes Boie (Typ adrett gescheitelter Milchbrei-Bubi) kommt, in Reichelts Sturz „das Ende eines Schurkenfilms“. Eine Grabstelle auf dem Friedhof hinter dem Kanzleramt dürfte für den jetzt Ex-„Bild“-Chef schon länger reserviert gewesen sein. Gut möglich, dass sein Abschuss eine der letzten „Amtshandlungen“ Merkels war.
Reichelt, der ein großer Fan von Country-Legende Johnny Cash ist, hat jedenfalls den Sprung durch den „Ring of Fire“ nicht überlebt. (oys)