In den innenpolitischen Fokus rückt die Wahl des Bundespräsidenten am Sonntag, 13. Februar, in Berlin. Der Bundespräsident ist das Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland. Amtsinhaber ist seit 2017 Frank-Walter Steinmeier. Er tritt nach fünf Jahren für eine zweite Amtsperiode an und wird von SPD, „Grünen“, FDP und weiten Teilen der Union unterstützt. Seine Wiederwahl in der Bundesversammlung gilt als sicher.
Die AfD hat den konservativen CDU-Politiker und deutsch-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Max Otte nominiert. Auch die Linkspartei schickt mit dem Mainzer Sozialmediziner Gerhard Trabert einen eigenen Kandidaten in das Rennen um Schloss Bellevue (Amtssitz des Bundespräsidenten). Die „Freien Wähler“ sorgten wenige Tage vor der Bundesversammlung noch für eine Überraschung: Sie nominierten als einzige politische Kraft eine Frau (Stefanie Gebauer, Astrophysikerin aus Brandenburg).
Der Deutschland-Kurier beantwortet wichtige Fragen rund um die Wahl des Bundespräsidenten.
► Wer darf überhaupt kandidieren?
Zur Wahl darf sich jeder stellen, der mindestens 40 Jahre alt ist und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Der Kandidat oder die Kandidatin muss von einem Mitglied der Bundesversammlung vorgeschlagen werden.
► Was ist die „Bundesversammlung“?
Der Bundespräsident wird in Deutschland nicht vom Volk direkt gewählt, sondern von der Bundesversammlung. Sie tritt allein zu diesem Zweck zusammen. Ihr gehören zur Hälfte die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und zur anderen Hälfte Mitglieder an, die von den Landesparlamenten bestimmt werden. Die aktuelle 17. Bundesversammlung zählt 1.472 Mitglieder.
► Wer darf wählen?
Zum einen, wie gesagt, qua Mandat die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und zum anderen die von den Landesparlamenten entsandten Wahlmänner und Wahlfrauen. Oft sind das Landespolitiker, aber auch Personen des öffentlichen Lebens (etwa Schauspieler oder Sportler). Ebenso können aus den Parteien heraus verdiente Bürger (z.B. ehrenamtliche Feuerwehrleute) für die Bundesversammlung benannt werden.
► Wann und wo wird gewählt?
Die Wahl des Bundespräsidenten findet am 13. Februar 2022 statt. Aufgrund der Corona-Lage erfolgt die Abstimmung nicht wie sonst im Plenarsaal des Deutschen Bundestages, sondern in einem Nebengebäude des Reichstags (Paul-Löbe-Haus).
► Wie viele Stimmen braucht ein Kandidat zum Sieg?
Gewählt ist, wer im ersten bzw. zweiten Wahlgang die Mehrheit der Stimmen in der Bundesversammlung erhält, also mindestens 737 Stimmen. Erhält kein Kandidat die absolute Mehrheit, erfolgt ein dritter Wahlgang. Dann ist gewählt, wer die meisten Stimmen auf sich vereinigen kann. In der Vergangenheit ist es erst dreimal vorgekommen, dass ein dritter Wahlgang notwendig wurde: 1969 bei Gustav Heinemann, 1994 bei Roman Herzog und 2010 bei Christian Wulff.
► Wie sehen die aktuellen Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung aus?
Frank-Walter Steinmeier wird von einer breiten Mehrheit unterstützt: Neben SPD, FDP und „Grünen“ haben sich auch CDU und CSU für seine Wiederwahl ausgesprochen. Damit vereint Steinmeier etwa 83 Prozent aller Stimmen in der Bundesversammlung auf sich.
► Müssen sich die Wahlleute an die Parteilinie halten?
Die Wahl des Bundespräsidenten ist eine freie und geheime Wahl. Jedes Mitglied der Bundesversammlung kann daher unabhängig von der Partei, von der es entsandt wurde, seine Stimme abgeben. Auch eine Enthaltung ist möglich.
►Was passiert nach der Wahl?
Nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses hat der Gewählte zwei Tage Zeit, die Wahl anzunehmen. Die Vereidigung findet bei einer gemeinsamen Sitzung von Bundestag und Bundesrat statt. Die erste Amtszeit von Frank-Walter Steinmeier endet offiziell am 18. März 2022. Bei einer zweiten Amtszeit erfolgt üblicherweise keine erneute Vereidigung.
► Welche Aufgaben hat der Bundespräsident?
Der Bundespräsident erfüllt vor allem repräsentative Aufgaben. Er vertritt die Bundesrepublik Deutschland im In- und Ausland. Er kann außerdem in verfassungsrechtlichen Ausnahmesituationen den Bundestag auflösen und Neuwahlen bestimmen. Zu den Obliegenheiten des Bundespräsidenten gehört auch die Ernennung des Bundeskanzlers und der Minister, der Bundesrichter und Bundesbeamten. Und er muss die vom Bundestag verabschiedeten Gesetze unterzeichnen, damit sie in Kraft treten können. Das Amt soll, so hatte es den Vätern des Grundgesetzes vorgeschwebt, überparteilich geführt werden – das heißt der Bundespräsident soll in gesellschaftlichen Debatten ausgleichend und unabhängig von der Parteipolitik/Tagespolitik wirken. Traditionell lässt das Staatsoberhaupt während seiner Amtszeit seine jeweilige Parteimitgliedschaft ruhen.
► Wer waren die bisherigen Bundespräsidenten?
Bisher gab es in Deutschland nur Männer in diesem Amt. Die CDU stellte sechs Mal den Bundespräsidenten, die SPD dreimal, die FDP zweimal. Joachim Gauck kam als einziger parteiloser Bewerber in das Amt. Prominenteste Staatsoberhäupter waren Theodor Heuss, FDP (1949–1959), Gustav Heinemann, SPD (1969–1974), Walter Scheel, FDP (1974–1979), Richard v. Weizsäcker, CDU (1984-1994) Roman Herzog, CDU (1994–1999) und Johannes Rau, SPD (1999–2004).
Unter ihnen ragten von Weizsäcker und der konservative Herzog besonders heraus. Ersterer ging mit dem Parteiensystem hart ins Gericht: Die Parteien seien „machtbesessen und machtvergessen“. Letzterer forderte: Es müsse „ein Ruck“ durch das bürokratisch und ideologisch erstarrte Land gehen.