Die russophobe „Bild“-Chefredakteurin Marion Horn ließ mal wieder ihre Lohnschreiber von der Kette: Unter der Überschrift „Geheimtreffen mit Putin-Schergen in Baku“ ereiferte sich „Bild“-Politruk Peter Tiede – Zitat: „Wittern sie wieder Morgenluft, die alten Freunde Moskaus in Deutschland? Jetzt, wo Union und SPD wieder gemeinsam an der Macht sind?“
Hintergrund der Schnappatmung von „Bild“ und anderen Mainstream-Medien ist, dass sich im April, wie erst jetzt bekannt wurde, deutsche und russische Vertreter des offiziell eingestellten „Petersburger Dialogs“ im aserbaidschanischen Baku getroffen hatten. Mit dabei war der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner, der dem Geheimdienst-Kontrollgremium des Parlaments angehört. Kein Sympathiebolzen unbedingt, aber unbestreitbar einer der wenigen in der SPD, die noch etwas von Außenpolitik verstehen.
Thema der laut Tagesschau „konspirativen Zusammenkunft“ in Baku war u.a. die Zukunft des „Petersburger Dialogs“ – jenes Gesprächsforums, das die Duzfreunde Gerhard Schröder und Wladimir Putin 2001 ins Leben gerufen hatten. Man wollte damals Deutsche und Russen einander näherbringen – und natürlich auch Geschäfte zum beiderseitigen Vorteil machen.
Wenig überraschend bekundete der oberste CDU-Kriegstreiber Roderich Kiesewetter nach Bekanntwerden des angeblichen „Geheimtreffens“ in Baku sein Missfallen. Sein neuerdings Koalitionspartner Stegner sei ein zu kritisierender „Putin-Versteher“.
Auch das ARD-Magazin Kontraste und die linksgrüne ZEIT nahmen gemeinsam Anstoß an der Begegnung. „Deutsche Politiker und Kreml-Vertreter“ echauffierten sich die Öffentlich-Rechtlichen. „Geheimtreffen in Baku: Unter den Augen des Kreml“ dichtete die ZEIT hinter ihrer Bezahlschranke.
Dass sich mehrere deutsche Politiker – außer Stegner unter anderm Merkels früherer Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) sowie der ehemalige Brandenburger SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck – mit Vertretern Moskaus getroffen hätten, meinte auch der Berliner Tagesspiegel zu einem Skandal hochschreiben zu müssen. Zitiert wurde in dem Artikel CDU-Kriegstreiber Kiesewetter mit der Aussage, Stegner müsse sich nun „einige Fragen gefallen lassen“.
Diplomatie, den Gesprächsfaden nicht ganz abreißen lassen, um vielleicht wieder zu einer zaghaften Annäherung in den nach drei Ampel-Jahren zerrütteten deutsch-russischen Beziehungen zu kommen – das scheint in deutschen Mainstream-Redaktionsstuben tabu zu sein.
Stegner verteidigte das Treffen trotzdem: „Zu den Grundsätzen guter Außenpolitik gehört es, dass auch und gerade in schwierigen Zeiten von zunehmenden Spannungen, Konflikten und Kriegen, Gesprächskontakte in alle Teile der Welt und auch nach Russland aufrechterhalten werden sollten. Diese Gespräche können einen Beitrag dazu leisten, wechselseitig nützliche Kenntnisse und Einschätzungen über Verhältnisse, Haltungen und Entwicklungen zu befördern, die über das hinausgehen, was Presseberichterstattung oder Nachrichtendienste leisten.“