„Achtung, Reichelt“ ist gut – Vorsicht, Reichelt ist besser: Das Trojanische Pferd der CDU!

Ex-„Bild“-Chef Julian Reichelt und sein neues News-Portal „Nius“ mischen die Medien-Szene auf. Einar Koch, früherer Politikchef bei „Bild“ und langjähriger Weggefährte Reichelts, analysiert, wer und vor allem welche Interessen hinter diesem konservativen, vermeintlich AfD-freundlichen Online-Auftritt stecken. Unser Gastautor erinnert an Bertolt Brecht: „Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber!“

Von Einar Koch*

Keine Frage: Mein Ex-Kollege Julian Reichelt, mit dem ich im Berliner Springer-Hochhaus jahrelang in der Politik-Redaktion Glaswand an Glaswand saß und mit dem ich mich stundenlang über unser gemeinsames Idol, Country-Legende Johnny Cash, austauschen konnte, hat auf seinem YouTube-Kanal „Achtung, Reichelt!“ (aktuell 369.000 Abonnenten) hundertprozentig die richtigen Themen drauf. Hochprofessionell und mit einem in die Millionen Euro gehenden Kostenaufwand setzen der spätere Ex-„Bild“-Chef als kurzweiliger Kommentator und sein Team visuell Themen um, die Deutschland und die Menschen hierzulande bewegen.

Themen frei Haus von der AfD

Allerdings sind dies allesamt Themen, die Reichelt „eins zu eins“ von der AfD abkupfert – beispielsweise: Asyl-Irrsinn, Migranten-Gewalt, Gender-Gaga, Islamisierung, „grüner“ Klima-Terror, die Amtsanmaßungen des Verfassungsschutzchefs, Wärmepumpen-Murks, Horror-Inflation, Ampel-Versagen, Deindustrialisierung und wirtschaftlicher Niedergang Deutschlands. Insofern verwundert zunächst nicht, dass ein äußerst dankbarer Abnehmer und Multiplikator von Reichelts Beiträgen die Bundes-AfD vor allem auf ihrem Twitter-Account ist. Das trifft an der AfD-Basis, aber auch bei Funktionären und Mandatsträgern zu Recht auf Kritik, Unverständnis und Ablehnung.

Ich muss an Bertolt Brecht denken: „Nur die dümmsten Kälber suchen sich ihre Schlächter selber!“ Denn Reichelts mit hohem personellen und studiotechnischen Aufwand betriebenes neues Newsportal „Nius“ (ausgesprochen wie News) ist im Kern nichts anderes als eine astreine Vorfeldorganisation der CDU – allerdings einer CDU, die es so schon lange nicht mehr gibt!

Einer CDU, von der Reichelts milliardenschwerer Auftraggeber (auf den ich noch zu sprechen komme)  träumt, dass es sie aber wieder geben möge. Einer CDU, bei der man an Namen wie die der Ex-Bundespräsidenten Karl Carstens und Roman Herzog denkt – gefühlte 100 Jahre her; oder an den legendären Bonner Fraktionschef Alfred Dregger, Wortführer einst der erzkonservativen CDU-„Stahlhelmer“; einer CDU, bei der man mit Einschränkungen an Helmut Kohl denkt; einer CDU, bei der man vor einigen Jahren auch noch an Friedrich Merz gedacht haben mag, bevor sich der heutige Partei- und Fraktionschef im „Spiegel“ mit grünem Samtjackett und grüner Krawatte den Ökosozialisten anbiederte (von denen sich dieser Wendehals angesichts des Umfragehochs der AfD heute verzweifelt abzusetzen sucht).

Reichelt soll AfD-Wähler wieder für die Union gewinnen

Jemand aus Reichelts engstem Umfeld, der verständlicherweise nicht genannt werden möchte, sagt es ohne Umschweife: „Unser Ziel ist es, möglichst viele Wähler von der AfD zurück zu den Unionsparteien zu holen. Das funktioniert natürlich nicht, in dem man diese Wähler beschimpft. Wir gehen quasi dialektisch vor. Erst binden wir unsere Zielgruppe, auch mit Kritik an der vermerkelten Union, um diese Menschen dann später in einem zweiten Schritt wieder für eine geläuterte Union zu gewinnen.“

In diese Richtung deuten jüngste Äußerungen von Friedrich Merz, der für die CDU neuerdings als „Alternative für Deutschland mit Substanz“ wirbt. Gern gesehener Gast auf allen Reichelt-Kanälen ist der frühere konservative CDU-Fraktionsvize und Innnenexperte Wolfgang Bosbach. Auch er warnt vor Wählerbeschimpfung – „so holen wir niemanden von der AfD zur CDU zurück“. Interviews mit AfD-Politikern sucht man auf dem Reichelt-Portal dagegen vergeblich.

Konservative Journalisten adeln „Nius“

Julian Reichelt und sein gleichermaßen hochkarätiges wie hochbezahltes Team sprechen, wie gesagt, absolut die Themen an, die den Menschen in Deutschland unter den Nägeln brennen. Insoweit ist die linksradikale „taz“ ein unverdächtiger Kronzeuge. Sie schrieb dieser Tage: „Das Medienportal ‚Nius‘ bietet rechter Hetze eine Bühne. Es wird finanziert von einem Milliardär und vereint Julian Reichelt mit Jan Fleischhauer.“

Fleischhauer fungierte einst beim „Spiegel“ als konservatives Feigenblatt und schreibt seit 2019 für Burdas „Focus“. Er ist, auch wenn man mitunter versucht ist, ihn als AfD-nah zu verorten, ein im Zweifel eher den Unionsparteien zugeneigter konservativer Journalist, der quasi im Nebenerwerb ein mit Sicherheit nicht zu knappes Zubrot jetzt auch bei Reichelt verdient.

Mit an Bord ist mein geschätzter Ex-„Bild“-Kollege Ralf Schuler für ein, wie in Branchenkreisen kolportiert wird, horrendes fünfstelliges Monatsgehalt irgendwo zwischen 20.000 und 30.000 Euro. Reichelts Monatssalär dürfte Insider-Schätzungen zufolge näher an 100.000 als an 50.000 Euro liegen.

Auch jüngere profilierte Ex-„Bild“-Redakteure und Redakteurinnen heuerten bei Reichelt an – wohl kaum für einen Hungerlohn. Doch Neidkomplexe zu bedienen, soll hier nicht das Thema sein.

„Freibadistan“, „größte Klimalüge des Jahres“

Jedenfalls scheint kein Kosten-Aufwand für Reichelts Sammelportal „Nius“ zu hoch zu sein. Jedes Topthema wird in brillant gemachten Videobeiträgen ausführlich und differenziert abgehandelt. Aktuelles Beispiel: „Sehnsuchtsort Freibad“, eine Chronologie über Gewaltvorfälle in Freibädern mit dem ins Schwarze treffenden Titel „Freibadistan“!

Reichelt selbst kommentiert treffsicher und in einer das Herz erfrischenden Weise auf YouTube und auf Twitter. Seine Sätze sind in Stein gemeißelt: Subjekt, Prädikat, Objekt, Punkt! Alte „Bild“-Schule.

Reichelt geht, wie gesagt, dialektisch vor. Dazu gehört beißende Kritik an aus Sicht seines Auftraggebers linksgrünen CDU-Politikern wie NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst oder Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegner. Auch der ehemalige Merkel-Paladin, Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang (CDU), bekommt ordentlich was ab. Über den twitterte Reichelt neulich: „Thomas Haldenwang, der uns vor politischen Fanatikern schützen soll, verherrlicht die Fanatiker der Letzten Generation. Unser Land ist in den Händen von Ideologen – sogar unser Verfassungsschutz. Beängstigend!“   

AfD-Wählern wird so das einlullende Gefühl vermittelt: Wir sind an eurer Seite! Was Reichelt und sein Team nicht sagen bzw. noch nicht sagen: Kommt zurück zur CDU – das ist die bessere AfD. Oder, um es mit (neuerdings) Friedrich Merz zu sagen: „Die CDU ist eine Alternative für Deutschland mit Substanz.“

Zuletzt entlarvte der Ex-„Bild“-Chef, der von seinem früheren Arbeitgeber Axel Springer auf Rückzahlung von rund zwei Millionen Euro Abfindung verklagt wurde, zutreffend die „größte Klimalüge des Jahres“ – nämlich die in den hysterisierenden Mainstream-Medien mutmaßlich bewusst verwechselten 48 Grad Bodentemperatur in Italien mit der Lufttemperatur im Schatten.

Auch sonst ist Reichelt mit den richtigen Themen unterwegs: „Grüne lassen uns fürs Klima hungern!“; „Energiekrise: Darum sollen Deutsche jetzt im Müll wühlen“; „Faeser hetzt ARD gegen die eigenen Bürger auf!“; „Ein Dorf in Angst“ oder „Ich verweigere die Gebühren“ – um nur einige Videotitel bei „Achtung, Reichelt“ zu nennen.

Wie glaubwürdig ist Reichelt?

Es fällt auf: Der Ukraine-Konflikt kommt bei Reichelt, wenn überhaupt, nur am Rande vor. Weil Reichelt Irritationen im Zielpublikum befürchtet? Fakt ist: Julian Reichelt gilt seit seinen Tagen als „Bild“-Kriegsreporter u.a. in Syrien als Putin-Hasser mit fast schon psychotischen Zügen. Reichelt war bis zu seinem Rauswurf bei Springer zudem der engste Buddy des von ihm geförderten „Bild“-Kriegstreibers Paul Ronzheimer – einem Propaganda-Assistenten, wenn nicht sogar Einflussagenten des Marionetten-Regimes in Kiew. Der unsägliche Ronzheimer gilt bzw. galt laut Branchendiensten als „so etwas wie ein Alter Ego von Reichelt“ und gehörte bei „Bild“ zu Reichelts berüchtigter „Boy Group“.

Wem nützt es?

„Cui bono?“, sagt der Lateiner. Wem nützt es? Die Mutter aller Fragen auf der Suche nach den Hintergründen und der Motivation Reichelts. Wem nützt „Nius“? Ich deutete es bereits an.

Der AfD will der Ex-„Bild“-Chef erklärtermaßen nicht nützen. Er hasst die AfD und  belegte die Partei in seiner „Bild“-Zeit mit einem fanatischen Interview-Boykott, den er offenbar bis heute auch auf seinem Portal durchhält. Gegenüber dem „Hamburger Abendblatt“ machte Reichelt aus seiner Haltung zur AfD 2019 kein Hehl: „Ich verachte die Führung der AfD!“ (https://www.abendblatt.de/podcast/entscheider-treffen-haider/article226979519/Bild-Chef-Reichelt-Ich-verachte-die-Fuehrung-der-AfD.html). Auch auf Reichelts neuem Portal finde ich bislang kein Interview mit einem AfD-Politiker.

Reichelt: „Ich wähle NICHT die AfD“

Manche in der Bundes-AfD, die sich darin überschlagen, Reichelts Beiträge zu „retweeten“ oder auch einige aus der AfD-Bundestagsfraktion, die Reichelts Neben-Portal „Pleiteticker“ mit Exklusiv-Nachrichten füttern, zum Beispiel Antworten der Bundesregierung auf parlamentarische Anfragen, scheinen dies verdrängen zu wollen oder sie leiden an politischer Demenz. Oder sie nehmen Reichelt seine vorgebliche Wendung vom Saulus zum Paulus in naiver Leichtgläubigkeit ab – nach dem biblischen Motto:  „Es wird Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.“ (Lukas 15, 7).

Oder sie sollten sich vielleicht einmal Reichelts jüngstes Video etwas genauer anschauen. Auch dieser Clip ist eine dialektische Meisterleistung: Reichelt wirbt scheinbar für die AfD, um dann aber klipp und klar mit Blick auf die Europawahl 2024 zu sagen, er wähle NICHT die AfD. Er bekennt, er wolle für die Freien Wähler stimmen – quasi aus Verlegenheit, weil es seine Wunsch-CDU noch nicht gibt. Das taktische Kalkül dahinter ist leicht durchschaubar: Hauptsache, die AfD erst einmal schwächen!

Wanderer zwischen den Welten

Ich kenne Julian Reichelt, seit er als Volontär bei „Bild“ damals noch im Hamburger Verlagshaus anfing. Er ist in Wirklichkeit ein Wanderer zwischen den Welten. Es heißt, er habe in jüngeren Jahren mit der FDP sympathisiert, soll sich dort auch politisch engagiert haben; eine Zeit lang soll er sich dann für die „Piratenpartei“ begeistert haben. Die AfD, der er in ideologischer Verblendung vermeintlichen Antisemitismus und wahrheitswidrig Verharmlosung des Holocaust vorwirft, war und ist für ihn des Teufels, um im biblischen Bild zu bleiben.

Reichelt ist ein Julian Heuchelt

„Cui bono?“ Bevor wir diese Frage abschließend vertiefen, sollte nicht in Vergessenheit geraten, dass der damalige „Bild“-Online-Chef Julian Reichelt 2015 wohl der eigentliche Urheber der unsäglichen „refugees welcome“-Kampagne des Springer-Blattes war. Ich selbst war zu diesem Zeitpunkt bereits bei „Bild“ ausgeschieden. Ex-Kollegen versicherten mir, dass entgegen der landläufigen Meinung nicht der krachend gescheiterte langjährige Herausgeber, Chefredakteur und Auflagen-Vernichter Kai Diekmann Erfinder dieser Kampagne war, mit der das einstige Boulevard-Schlachtschiff endgültig zu einem dem Untergang geweihten Seelenverkäufer verrottete.

Noch irritierender als die mir opportunistisch erscheinende 180 Grad-Wende in der sogenannten Flüchtlingspolitik sind Reichelts befremdliche Russophobie sowie seine die Altparteien in den Schatten stellende Kriegstreiberei. Schon dies für sich genommen ein deutliches Unterscheidungsmerkmal zur AfD!

So twitterte Reichelt vor dem Hintergrund der Panzer-Debatte zu Beginn des Jahres: „Die Ukraine hat zwei Probleme. Ihre Feinde im Osten. Und ihre Freunde im Westen, namentlich: die deutsche Bundesregierung. Die Feinde im Osten sind der Grund dafür, dass die Ukraine dringend westliche Panzer braucht, um in einem brutalen Überlebenskampf bestehen zu können. Die Freunde im Westen sind der Grund dafür, dass die Ukraine sie nicht bekommen wird. Auch in 2023 wird die Bundesregierung keine Leopard II Panzer nach Kiew liefern.“

Geschenkt! „Rote Linien“ werden seitens der Ampel-Kriegstreiber inzwischen tabu- und schamlos eine nach der anderen überschritten – vermutlich sehr zur klammheimlichen Freude Reichelts.

„SPD fest in der Hand des Kremls“

In seinen Analysen versteigt sich Reichelt gern zu wüsten Verschwörungstheorien: Die Partei des Bundeskanzlers, also die Scholz-SPD, sei „fest in der Hand des Kremls und seines Geheimdienstapparates“. Weiter: „Wann immer Wladimir Putin Kanzler Olaf Scholz wenig subtil mit Atomkrieg droht, weiß Scholz: Dieser Atomkrieg muss sich nicht gegen Europa richten, Putin kann genauso gut die SPD meinen.“ Keine Partei im westlichen Bündnis sei „so erpressbar, so korrumpiert, so unterwandert durch Moskau wie die SPD“.

Die SPD, hier meint Reichelt vor allem die von Ex-Kanzler Gerhard Schröder, habe jahrzehntelang „mit Putin kollaboriert, sich zum nützlichen Idioten des mörderischsten Regimes auf dieser Welt gemacht. Über keine Partei im Westen weiß der KGB-Mann Wladimir Putin so viel wie über die SPD.“ Sozialdemokraten hätten sich „auf so skrupellose Weise in den Dienst des Kreml gestellt, dass die Partei, die Deutschland führen soll, direkt aus Moskau geführt wird“, hyperventilierte Reichelt.

„Danke für die Unterstützung“

Womit wir nun wirklich bei der Mutter aller Fragen (Cui bono?) bezüglich des Julian Reichelt wären: Wem nützt der Ex-„Bild“-Chef – wem will er nützen? Der eingangs schon zitierte Mitarbeiter aus Reichelts engstem Umfeld sagt es ganz offen: „Julian träumt davon, er könne  die CDU der 70er, 80er und 90er Jahre wiedererwecken.“

Darauf hofft vor allem Reichelts „big spender“. Laut Medienberichten hat der 2021 im Zusammenhang mit angeblichen Frauengeschichten gefeuerte Ex-„Bild“-Chef einen finanzstarken Gönner. Immer wieder fällt in diesem Zusammenhang der Name des konservativen Milliardärs Frank Gotthardt aus Koblenz. Der Hauptgesellschafter der „Kölner Haie“, mit dem Reichelt vertraut auf Fotos posiert, betreibt in Rheinland-Pfalz diverse Regionalsender. Gotthardts laut Internet-Quellen auf mindestens 1,4 Milliarden Euro taxiertes Vermögen hat der Erfolgsunternehmer im lukrativen Geschäftsfeld „digitale Medizin“ verdient.

Der aus Koblenz stammende rheinland-pfälzische Milliardär war engstens befreundet mit dem ebenfalls aus Koblenz stammenden, an Weihnachten 2022 verstorbenen CDU-Mittelstandspolitiker Michael Fuchs. Zu dessen Tod twitterte Reichelt: „Eine Legende des politischen Berlins ist gegangen. Danke für die Unterstützung in den letzten Monaten, lieber Michael Fuchs. Möge er in Frieden ruhen.“

Vielleicht fällt spätestens jetzt der sprichwörtliche Groschen in der Social Media-Abteilung der AfD-Bundesgeschäftsstelle. Vielleicht sollte man sich hier wie auch in Teilen der AfD-Bundestagsfraktion einmal darauf besinnen, welche (alternative) Medien der AfD wirklich nahe stehen. Womit wir wieder bei Bertolt Brecht wären.

*Einar Koch, Jahrgang 1951, war von 1992 bis 2003 Leiter der Parlamentsredaktion der „Bild“-Zeitung in Bonn und Berlin, Politik-Chef des Blattes und zuletzt Politischer Chefkorrespondent.

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