Was macht eigentlich Welcome-Aktivist Kai Diekmann?

Der Ex- „BILD“-Chef (2001-2017), Kohl-Schranze („mein Freund Helmut“) und USA-Lobbyist (Atlantik-Brücke) hat seine Memoiren geschrieben. Das Buch mit dem selbstverliebten Titel „Ich war BILD“ soll Mitte Mai erscheinen. Allein schon der Titel ist irreführend insoweit, als das Buch eigentlich hätte heißen müssen: „Ich war der BILD-Totengräber!“

Denn: Diekmann hatte die Auflage von BILD in seinen rund 16 Jahren als Chefredakteur und zuletzt Herausgeber mehr als halbiert – u.a. mit penetranten Kohl-Lobhudeleien, politischem Gefälligkeitsjournalismus und neo-liberaler Volksverdummung. Von der unsäglichen „refugees welcome“-Kampagne, die er 2015 noch zu verantworten hatte, konnte sich das Blatt nie mehr erholen. Man darf Diekmann getrost zu der Sorte von System-„Journalisten“ rechnen, die Springer-CEO Mathias Döpfner einmal „Propaganda-Assistenten“ nannte.

Das einstige Boulevard-Schlachtschiff, das zu allerbesten Zeiten fast sieben Millionen Exemplare täglich allein in der alten Bundesrepublik verkaufte, hält heute stramm Kurs Richtung „Untergang der Titanic“. Die Print-Auflage soll sich inzwischen rasant der 500.000er Grenze nähern – eine Größe, bei der sich das frühere Massenblatt immer weniger rechnet. Verlagschef Mathias Döpfner („digital only“) hat bereits einen drastischen Personalabbau angekündigt, einstweilen aber offengelassen, wann genau die Printausgabe eingestellt werden soll.

Doch zurück zu Diekmann: Nach seinem unrühmlichen Abgang bei Springer gründete der Ex-„BILD“-Chef eine PR-Firma („Storymachine“), bei der sich u.a. Wirtschaftsbosse und Verbandschefs mit professioneller Hilfe „twittern lassen“ können. Mit seinem sogenannten „Zukunftsfonds“ versucht sich Diekmann zudem als eine Art Investmentbanker für breitere, bisher nicht aktien-affine  Schichten. Zumindest die letztere Unternehmung, so wollen es Branchenkreise wissen, laufe eher schlecht als recht.  

Relativ erfolgreich dagegen sind – gemessen jedenfalls an der Zahl der Follower – Diekmanns narzisstische Selbstbespiegelungen auf Twitter, wo sich der 58-Jährige als hipper Frührentner vermarktet – jeweils wechselnd zwischen seinem Luxus-Anwesen am Potsdamer Jungfernsee unweit der Glienicker Brücke („Bridge of Spies“) und seiner Ferien-Villa auf Usedom an der Ostsee, in der früher der Komponist Engelbert Humperdinck („Hänsel&Gretel“) die Sommerfrische verbrachte. Vorzugsweise stellt Diekmann seine täglichen Jogging-Runden oder Fotos beim Eisbaden („brrr, ist das kalt“) ins Twitter-Schaufenster.

„Der größte Staatsmann aller Zeiten“

 

Nun darf man gespannt sein, ob Diekmann in seinem „BILD“-Buch, das Erzählungen über „ein Leben zwischen Schlagzeilen, Staatsaffären und Skandalen“ verspricht, überhaupt etwas Neues mitzuteilen hat. Sein Aufhebungsvertrag (Stichwort: nachvertragliche Schweigepflicht) dürfte dem enge Grenzen setzen. Vermutlich wird es am Ende wieder darauf hinauslaufen, dass Helmut Kohl, sein väterlicher Gönner schon zu Zeiten als „BILD“-Volontär in der Bonner Parlamentsredaktion, der „größte Staatsmann aller Zeiten“ war. Ein Mann, der sich in der CDU-Spendenaffäre über das Gesetz stellte und dem die Deutsche Einheit ohne größeres eigenes Zutun quasi in den Schoß gefallen war. 

„Wie du mir, so ich dir!“

Die sogenannte Mailbox-Affäre um Ex-Bundespräsident Christian Wulff dürfte gewiss ein, vielleicht das einzig spannende Kapitel in Diekmanns Memoiren sein. Dabei hätte es ein richtiges Lehrbuch werden können darüber, wie korrumpiert der Mainstream-Journalismus nicht erst seit heute ist. Vor allem mit Blick auf gegenseitige Abhängigkeiten und Gefälligkeiten des politisch-medialen Komplexes – Motto: „Wie du mir, so ich dir!“ Ein innerer Kompass, dem Diekmann schon seit seiner Zeit in der Schüler-Union folgt.

Ein Abend beim Italiener

Dazu beispielhaft eine Anekdote, die sich vor gut zehn Jahren zutrug bei einem Abendessen Diekmanns und zwei weiterer Teilnehmer mit dem damaligen Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) im Berliner Nobel-Italiener „Adnan“, der eigentlich ein Türke ist. Das Treffen hatte auf Diekmanns Wunsch der 2016 in den Ruhestand gewechselte frühere „Bild“-Chefkorrespondent Einar Koch vermittelt. Koch, zu dem Zeitpunkt bereits in Ungnade gefallen  (weil zu „rechts“ und nicht gender-konform), pflegte noch aus Zeiten der Bonner Republik ein enges Verhältnis zum eitlen und selbstverliebten CSU-Politiker Ramsauer, der lange Jahre Chef der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag gewesen war. 

Also, an jenem besagten Abend ging es bei Kalbskotelett mit Trüffeln und erlesenem Tignanello-Rotwein aus der Toskana zu 150 Euro je Flasche um die Abflug-Korridore des neuen Hauptstadt-Flughafens BER. Die Planungen, an denen Ramsauers Bundesverkehrsministerium beteiligt war, sahen zu diesem Zeitpunkt eine Route auch über Potsdam vor. 

„Tja, lieber Herr Minister…“

Diekmann sorgte sich um möglichen Fluglärm, der die Wohnqualität seines Seeanwesens in bester Potsdamer Lage direkt hinter der Glienicker Brücke hätte beeinträchtigen können. „Tja, lieber Herr Minister“, eröffnete Diekmann das Dinner, „ich muss Ihnen ja nicht sagen, wer sonst noch so alles in Potsdam wohnt.“ 

Es war ein Wink mit dem Zaunpfahl!

 Der sollte so viel heißen wie: Es wäre politisch nicht klug, sozusagen über die Dächer von Potsdam hinweg über die BER-Flugkorridore zu entscheiden. Denn: Zur feinen Potsdamer Gesellschaft zähl(t)en der mächtige Springer-Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner und der seinerzeit einflussreiche, 2014 verstorbene FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher, außerdem Promi-Größen wie TV-Moderator Günther Jauch und Mode-König Wolfgang Joop. 

„Was machen die Lachse?“

Zwischendurch, während die Herren bei der dritten oder vierten Flasche Tignanello angekommen waren, klingelte Diekmanns Handy. Am anderen Ende der Leitung war Helmut Kohl (CDU). „Was machen die Lachse, Peter?“, wollte der 2017 verstorbene Altkanzler von Ramsauer wissen (der CSU-Politiker betreibt im Chiemgau eine Fischzucht). „Forellen, Helmut – Forellen!“, korrigierte Ramsauer. Die Herren-Runde lachte. 

Es war ohne Zweifel ein vergnüglicher Abend. Und für Diekmann war außer Spesen wohl auch was gewesen. Die in Rede stehende Flugroute führte nämlich später weiträumig um die Potsdamer Villen der vorstehend genannten Herrschaften herum und verlief nach dem Sankt Florians-Prinzip („Verschon mein Haus…“) über ein Gebiet, wo man Diekmanns und Döpfners Leser vermuten darf bzw. durfte. Und der eitle Ramsauer wurde in der Folge auffallend oft „Gewinner“ auf Seite 1 der „Bild“-Zeitung. Eine klassische Win-Win-Situation also!

Der Anfang vom Ende

„BILD“ – das waren einmal Leute ganz anderen Kalibers als Diekmann. Leute, die das Ohr am Leser hatten und nicht am Kanzleramt. Allen voran der legendäre Redaktionsdirektor Günter Prinz, der volksnahe 80er Jahre Chefredakteur Horst („Hotte“) Fust und nicht zu vergessen der letzte erfolgreiche und Kohl-kritische „BamS“-Chef Michael Spreng, den Diekmann (mit Döpfners Hilfe) aus dem Amt drängte. 

Diekmann war „BILD“ allerdings insofern, als er der viel zu lange Anfang vom Ende eines großartigen publizistischen Lebenswerkes war – das des patriotischen und konservativen Verlegers Axel Cäsar Springer! (oys)

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