Ex-„Bild“-Chef Diekmann schreibt Memoiren – wer muss zittern?

Der ehemalige Chefredakteur und Herausgeber der „Bild“-Zeitung, Kai Diekmann (58), arbeitet an einem Buch über seine rund 30 Jahre bei dem Boulevard-Schlachtschiff, das in den 16 Jahren unter seiner Führung fast drei Millionen Auflage verlor und das seit der von Diekmann verantworteten unsäglichen „refugees welcome“-Kampagne vor sieben Jahren nicht mehr auf die Beine gekommen ist. Die Auflage des Springerblattes soll dem Vernehmen nach inzwischen die Millionengrenze unterschritten haben – von zu besten Zeiten einmal fünf Millionen und mehr. Altgediente „Bild“-Haudegen sprechen deshalb von Diekmann auch als dem „Totengräber“.

Erscheinen soll das Buch im ersten Halbjahr 2023, wie der Verlag (Penguin Random House) dieser Tage mitteilte. Die Pressemitteilung verheißt eine „Erzählung über Schlagzeilen, Staatsaffären und Skandale“.  In der Tat könnte es ein wirklich interessantes und spannendes Buch werden. Vor allem über gegenseitige Abhängigkeiten und Gefälligkeiten des politisch-medialen Komplexes – nach dem Motto: „Eine Hand wäscht die andere“ oder „Wie du mir, so ich dir!“

KÖNNTE! 

Zumindest, wenn man glauben darf, was ein ehemaliger Redaktionsinsider und langjähriger Weggefährte Diekmanns dem Verfasser dieser Kolumne berichtet. Dazu beispielhaft eine Anekdote, die sich vor gut zehn Jahren zutrug bei einem Abendessen Diekmanns und zwei weiterer Teilnehmer mit dem damaligen Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) im Berliner Nobel-Italiener „Adnan“, der eigentlich ein Türke ist. 

Das Treffen hatte auf Diekmanns Wunsch der 2016 in den Ruhestand gewechselte „Bild“-Chefkorrespondent Einar Koch vermittelt. Koch, zu dem Zeitpunkt in der Redaktion bereits kaltgestellt (weil zu „rechts“), pflegte noch aus Zeiten der Bonner Republik ein enges Verhältnis zum eitlen und selbstverliebten CSU-Politiker Ramsauer, der lange Jahre Chef der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag gewesen war. 

Wie der Informant des Kolumnisten berichtet, ging es an jenem Abend bei Kalbskotelett mit Trüffeln und erlesenem Tignanello-Rotwein aus der Toskana zu 150 Euro je Flasche um die Abflug-Korridore des neuen Hauptstadt-Flughafens BER. Die Planungen, an denen Ramsauers Bundesverkehrsministerium beteiligt war, sahen zu diesem Zeitpunkt eine Route auch über Potsdam vor. 

Eine Win-Win-Situation

Diekmann sorgte sich um möglichen Fluglärm, der womöglich die Wohnqualität seines Seeanwesens in bester Potsdamer Lage direkt hinter der Glienicker Brücke („Bridge of Spies“) beeinträchtigt hätte. „Tja, lieber Herr Minister“, sagte Diekmann während des Abendessens zu Ramsauer, „ich muss Ihnen ja nicht erzählen, wer sonst noch so alles in Potsdam wohnt.“ 

Ein Wink mit dem Zaunpfahl! Der so viel heißen sollte wie: Es wäre politisch nicht klug, sozusagen über die Dächer von Potsdam hinweg zu entscheiden. Denn: Zur feinen Potsdamer Gesellschaft zähl(t)en der mächtige Springer-Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner und der seinerzeit einflussreiche, 2014 verstorbene FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher (von Promi-Größen wie TV-Moderator Günther Jauch und Mode-König Wolfgang Joop einmal ganz abgesehen). 

Zwischendurch, während die Herren bei der dritten Flasche Tignanello angekommen waren, klingelte Diekmanns Handy. Am anderen Ende der Leitung war Diekmanns väterlicher Freund Helmut Kohl (CDU). „Wie geht es den Lachsen, Peter?“, wollte der 2017 verstorbene Altkanzler von Raumsauer wissen (der CSU-Politiker betreibt im Chiemgau eine Fischzucht). „Forellen, Helmut – Forellen!“, korrigierte Ramsauer. Die Herren-Runde lachte. 

Es war ohne Zweifel ein vergnüglicher Abend. Und für Diekmann war außer Spesen wohl auch was gewesen. Die in Rede stehende Flugroute führte nämlich später weiträumig um die Potsdamer Villen der vorstehend genannten Herrschaften herum und verlief nach dem Sankt Florians-Prinzip („Verschon mein Haus…“) über ein Gebiet, wo man Diekmanns und Döpfners Leser vermuten darf bzw. durfte. Und der eitle Ramsauer wurde in der Folge auffallend oft „Gewinner“ auf Seite 1 der „Bild“-Zeitung. Eine klassische Win-Win-Situation also!

Nun könnte der Informant des Chronisten, wie er glaubhaft versichert, noch über so manch andere Details aus dem „Nähkästchen“ plaudern – etwa, wie Diekmann dem früheren  Bundeswirtschaftsminister/Vizekanzler und FDP-Chef Philipp Rösler bei der Suche nach einem Regierungssprecher behilflich war; welche Rolle Diekmann hinter den Springer-Kulissen bei der Entmachtung des Kohl-kritischen, 2020 verstorbenen Ex-„BamS“-Chefredakteurs Michael Spreng, spielte; wie Diekmann seinem „Alter Ego“, Ex-Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), während der Kundus-Affäre mit Rat und publizistischer Tat zur Seite stand; wie es zur unsäglichen „refugees welcome“-Kampagne von „Bild“ kam; warum Diekmann einen kritischen Bericht über einen 150.000 Euro teuren Flug der Merkel-Vertrauten, Ex-Bildungsministerin Annette Schavan (CDU), mit der Bundeswehr zum Papst nach Rom verhinderte.

„Tja“ (so pflegte Diekmann immer zu sagen) – es könnte ein Buch mit tiefen Einblicken aus erster Hand in die Strukturen des politisch-medialen Komplexes werden. KÖNNTE! (oys)

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