„EU kippt Verbrenner-Verbot“, posaunte die „Bild“-Zeitung und ging der Propaganda von EVP-Chef Manfred Weber (CSU) voll auf den Leim. Von „Kippen“ kann überhaupt keine Rede sein. Selbst CSU-Chef Markus Söder durchschaut den Verbrenner-Bluff, den Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) und die EVP ausgehandelt haben.
Ab 2035 können demnach zwar weiterhin Neufahrzeuge mit Verbrenner zugelassen werden – aber nur unter rigorosen Bedingungen, die nach Einschätzung von Experten den deutschen Automobil-Herstellern kaum Entlastung bringen dürften.
Hintergrund sind die sogenannten von der EU festgesetzten Flottengrenzwerte, die eine Reduktion des CO₂-Ausstoßes von neu zugelassenen Autos bis 2035 um 100 Prozent vorsahen, also das totale Aus für Verbrenner. Beim Flottengrenzwert werden alle neuen Pkw-Modelle eines Autobauers zusammengefasst.
Bislang sollten alle Modelle eines Herstellers – sprich 100 Prozent – das Ziel der sogenannten Klimaneutralität erfüllen. Dieser Wert soll jetzt auf lächerliche 90 Prozent sinken. Emissionen sollen dabei durch andere Maßnahmen vollständig kompensiert werden können – etwa durch den Einsatz von „grünem Stahl“.
Vorgesehen sind zudem Ausnahmen unter anderem für Plug-in-Hybride und E-Autos mit sogenannten Range-Extendern, bei denen kleine Verbrennungsmotoren die Reichweite erhöhen. Ob die Ausnahmen auch für klassische Benzin- und Dieselfahrzeuge gelten, war zunächst noch völlig unklar.
Kritische Reaktionen
Der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) zeigte sich denn auch zurückhaltend. Die EU-Kommission werde ihre Vorschläge in der nächsten Woche offiziell vorstellen, dies gelte es jetzt erst einmal abzuwarten, hieß es. Man plädiere weiter für „einen technologieoffenen und pragmatischen Lösungsansatz“.
Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer wurde deutlicher: „Wenn man wirklich mit dem hocheffizienten Verbrenner in die Zukunft geht, sind 10 Prozent für Verbrenner nichts. Dafür lohnt es sich nicht, neue Motoren zu entwickeln. Also könnte es eher der Einstieg in den Ausstieg sein.“ Im Klartext: Die hohen Kosten für die Weiterentwicklung des Verbrennungsmotors lohnen sich nicht bei dieser geringen Menge.
Söder: „Zehn Prozent reicht nicht“
Auch CSU-Chef Markus Söder gehen die neuen Vorschläge der EU-Kommission nicht weit genug. Dies sei zwar ein erster Schritt, aber „nur zehn Prozent Verbrenner reicht noch nicht“, sagte der bayerische Ministerpräsident der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Ob der Brüsseler Hinterzimmerdeal, bei dem es sich allenfalls um ein „Kurskorrektürchen“ handelt, im EU-Parlament überhaupt Bestand haben wird, ist völlig offen. „Grüne“ und SPD wollen am totalen Verbrenner-Verbot festhalten. Im EU-Rat braucht es zudem die Zustimmung von 15 Mitgliedstaaten, die zusammen mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung stellen. Länder wie Dänemark, Schweden und die Niederlande haben bisher ebenfalls das Verbrenner-Aus gefordert.