Für Noch-Kanzler Olaf Scholz (SPD) war die verlorene Vertrauensabstimmung im Deutschen Bundestag eine Niederlage nach Plan. Wie geht es jetzt weiter bis zum geplanten Neuwahltermin am 23. Februar?
Es war erst das sechste Mal in der 75-jährigen Geschichte der Bundesrepublik, dass ein Bundeskanzler im Parlament die Vertrauensfrage nach Artikel 68 des Grundgesetzes stellte. Erstmals hatte 1972 Willy Brandt (SPD) von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Es folgten 1982 Helmut Schmidt (SPD), Helmut Kohl (CDU) sowie Gerhard Schröder (SPD) in den Jahren 2001 und 2005. Vor Scholz verloren Kohl (1982) und Schröder (2005) absichtlich, um jeweils den Weg zu Neuwahlen freizumachen.
Nach der gewollt verlorenen Vertrauensabstimmung fuhr der Noch-Kanzler am späten Nachmittag (16. Dezember) sofort ins Schloss Bellevue, um Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Auflösung des Bundestags vorzuschlagen. Das Staatsoberhaupt hat nun 21 Tage, also bis zum 6. Januar, Zeit, zu entscheiden, ob er zustimmt und eine Neuwahl innerhalb von 60 Tagen ansetzt.
Da es im Parlament parteiübergreifend eine große Einigkeit gibt, dass die ursprünglich für den 28. September 2025 geplante Bundestagswahl vorgezogen werden soll, gilt die Zustimmung des Staatsoberhauptes als sicher. Steinmeier hat bereits signalisiert, dass er mit dem angepeilten Termin 23. Februar einverstanden ist. Rein theoretisch könnte sich das Staatsoberhaupt auch gegen die Auflösung entscheiden. Denn in Artikel 68 der Verfassung steht nur, dass der Bundespräsident den Bundestag auflösen „kann“ – nicht, dass er ihn auflösen muss.
► Wer außer der SPD stimmte für Scholz?
Scholz hatte 207 Ja-Stimmen erhalten. Um die Abstimmung gegen seinen erklärten Willen zu gewinnen, hätte er die Kanzlermehrheit gebraucht (mindestens 367 Stimmen).
In der „Grünen“-Fraktion enthielten sich 115 der 117 Abgeordneten, zwei nahmen nicht an der Abstimmung teil.
Aus den Reihen der AfD gab es ganz überwiegend Nein-Stimmen (69). Der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland enthielt sich. Die Abgeordneten Christina Baum, Edgar Naujok und Jürgen Pohl sprachen dem Kanzler das Vertrauen aus, allerdings nicht aus Überzeugung. Vielmehr, wie Christina Baum, in ihrer Wortmeldung deutlich machte, weil Scholz mit Blick auf den Ukraine-Krieg und den Kriegstreiber Friedrich Merz (CDU) das geringere Übel sei. Auch Pohl hatte zuvor angekündigt, aus Protest gegen Merz für Scholz zu stimmen. Die AfD-Fraktionsspitze hatte den Abgeordneten ihr Votum ausdrücklich freigestellt.
► Ist Deutschland jetzt ohne Parlament?
Nein, der amtierende Bundestag bleibt bis zum Zusammentritt des neuen Parlaments mit all seinen Rechten und Pflichten bestehen. Das Parlament kann jederzeit aus gegebenem Anlass zusammentreten, es kann (Mehrheit vorausgesetzt) Gesetze beschließen. Auch die Bundestags-Gremien (z.B. Ausschüsse, Untersuchungsausschüsse) bestehen bis zum Zusammentreten der neu gewählten Volksvertreter weiter.
► Hat die Regierung noch ein Mandat?
Auch die Bundesregierung ist weiterhin im Amt – und zwar nicht nur geschäftsführend. Erst mit der Konstituierung des 21. Bundestages endet laut Artikel 69 das Amt des Bundeskanzlers und seiner Minister. Sie bekommen dann vom Bundespräsidenten ihre Entlassungsurkunden überreicht.
► Wann tritt der neue Bundestag zusammen?
Der neue Bundestag muss nach Artikel 39 der Verfassung spätestens am 30. Tag nach seiner Wahl zusammentreten. Wegen sich in die Länge ziehender Koalitionsverhandlungen ist es fast schon die Regel, dass der Bundespräsident den Kanzler ersucht, die Geschäfte bis zur Ernennung seines Nachfolgers weiterzuführen. Dazu ist dieser dann verpflichtet. Gleiches gilt für die Minister.
FAZIT: Spätestens jetzt ist der Wahlkampf eröffnet. In den kommenden Wochen werden die Parteien ihre Wahlprogramme beschließen und auf Parteitagen formal ihre Kanzlerkandidaten wählen. Die AfD hält ihren Wahlparteitag am 10. Januar im sächsischen Riesa ab.
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