200.000 Euro – wie kam eine so große Geldsumme in ein Schließfach des früheren Hamburger SPD-Strippenziehers Johannes Kahrs? Ermittler vermuten eine Verbindung zum sogenannten Cum-Ex-Skandal rund um die Warburg-Bank. Stürzt Kanzler Scholz (SPD) über den brisanten Fund?
Der frühere SPD-Politiker Johannes Kahrs gerät im Zusammenhang mit strafbaren „Cum Ex“-Aktiengeschäften durch einen Bericht der „Bild“-Zeitung schwer unter Druck. Auch die Rolle von Bundeskanzler Olaf Scholz im Hamburger Bankenskandal wird neu diskutiert. Es geht um einen Schaden für die Steuerzahler in Höhe von 47 Millionen Euro.
Die „Bild“-Zeitung will erfahren haben, dass bei einer Razzia im vergangenen Herbst in einem Bankschließfach von Kahrs 200.000 Euro in bar entdeckt worden seien. Der brisante Fund sei für die zuständige Kölner Staatsanwaltschaft ein Indiz dafür, dass Kahrs das Geld möglicherweise als Gegenleistung erhalten habe – womöglich als Dank dafür, dass der SPD-Politiker dabei half, die Warburg-Bank vor Steuerrückzahlungen in Millionenhöhe zu bewahren? Allerdings gilt bis auf weiteres die Unschuldsvermutung – das entdeckte Geld könnte ja auch eine andere Herkunft haben.
Die Kölner Staatsanwaltschaft ist zentral zuständig für die inzwischen als Straftat gewerteten Steuerdeals, bei denen der Staat mehrfach Steuern erstattet hat: Bei verbotenen „Cum-Ex“-Geschäften ließen sich Finanzakteure mit einem ausgeklügelten Verwirrspiel von Finanzbehörden Kapitalertragssteuer erstatten, die nie gezahlt wurde.
Was wusste Scholz?
In Hamburg will ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft (Landesparlament) den Vorwurf einer Einflussnahme führender SPD-Politiker auf die steuerliche Behandlung der Warburg-Bank klären. Im Mittelpunkt der Ermittlungen stehen Treffen des früheren Ersten Bürgermeisters der Hansestadt und heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz 2016 und 2017 mit den Miteigentümern der Warburg-Bank, Max Warburg und Christian Olearius. Gegen Olearius wurde damals bereits wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung ermittelt.
Nach den ersten Treffen hatte das Finanzamt für Großunternehmen in Hamburg 2016 mit Ablauf der Verjährungsfrist zunächst auf Steuernachforderungen in Höhe von 47 Millionen Euro verzichtet. Weitere 43 Millionen Euro wurden 2017 erst nach Intervention des Bundesfinanzministeriums eingefordert.
Scholz hatte die Treffen im Untersuchungsausschuss eingeräumt, aber angegeben, sich an den Inhalt der Gespräche nicht erinnern zu können. Eine Einflussnahme auf das Steuerverfahren habe es aber nicht gegeben. Die Warburg-Bank musste inzwischen 176 Millionen Euro an den Fiskus zurückzahlen, geht dagegen aber weiter juristisch vor.
Welche Rolle spielte Kahrs?
Im Hamburger Untersuchungsausschuss sagte Felix Hufeld, Ex-Präsident bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), aus, dass Kahrs Anfang September 2016 bei der BaFin angerufen habe und sich nach der Hamburger Traditionsbank erkundigt habe. Einige Wochen später habe er erneut nachgefragt.
Kahrs war von 1998 bis 2020 direkt gewähltes Mitglied des Deutschen Bundestages für den Wahlkreis Hamburg-Mitte. Für die SPD war er Sprecher der Bundestagsfraktion im Haushaltsausschuss und Kreisvorsitzender in Hamburg-Mitte. Er galt als Strippenzieher im Hamburger Genossen-Sumpf. Angeblich, weil er sich bei der Neubesetzung des Wehrbeauftragten-Amtes übergangen fühlte, legte Kahrs im Mai 2020 sein Bundestagsmandat nieder und gab seine politischen Ämter auf.
„Sprengstoff für den Kanzler“
Wohl auch wegen der im Herbst entdeckten und erst jetzt bekannt gewordenen 200.000 Euro in seinem Schließfach hat die Staatsanwaltschaft nun einen Anfangsverdacht der Begünstigung zur Steuerhinterziehung gegen Kahrs. Er selbst äußert sich nicht, weil gegen ihn ermittelt werde.
Der frühere Linken-Politiker Fabio de Masi, der sich mit dem Fall der Warburg-Bank intensiv beschäftigt hat, sagte dem Berliner „Tagesspiegel“: „Das Schließfach ist Sprengstoff für den Bundeskanzler.“ Offenbar habe Kahrs keine elektronische Datenspur auf seinem Konto hinterlassen wollen. Auch Scholz, der am 19. August im erneut im Hamburger Untersuchungsausschuss aussagen soll, müsse sich Fragen stellen: „Diese Affäre hat das Potenzial, den Kanzler zu stürzen“, meinte de Masi.