Es gibt unzählige Methoden, mit denen eine politische Klasse die Bürger für blöd verkaufen und ihnen ihre ganze arrogante Verachtung unter die Nase reiben kann. Die Merz-Regierung kennt sie so ziemlich alle. Doch gegen das, was der Duzkumpel des Kanzlers und Immer-Noch-Kulturstaatsminister seit mehreren Wochen gegenüber der Öffentlichkeit herausnimmt,
Weimers Skandalchronik hat einige Glanzpunkte unfreiwilliger Situationskomik vorzuweisen – insofern ist er irgendwie schon der „Kulturstaatsminister“, den das schwarz-rot-„grüne“ Clownsland verdient hat.
Es fing schon an mit einer grotesken Pointe: Auf der Frankfurter Buchmesse warnte Weimer, Mitte Oktober war das, vor dem „geistigen Vampirismus“, mit dem Künstliche Intelligenz und große Plattformen sich nicht um Urheberrechte scherten und Autoren ungefragt ausbeuteten.
Tags darauf wurde durch Recherchen des Journalisten Alexander Wallasch bekannt: Minister Wolframs „Weimer Media Group“ hat für ihr Flaggschiff, die Netzplattform „The European“, tausende fremde Texte ungefragt verwertet und hunderte Urheber ohne deren Einverständnis als „Autoren“ geführt, von Alice Weidel bis Sahra Wagenknecht und von Brad Pitt bis Papst Franziskus.
Alice Weidel und Plagiatsjäger Stefan Weber, auch er pikanterweise einer der Beklauten, fanden den Textdiebstahl nicht lustig und schickten Abmahnungen und forderten Unterlassungserklärungen; Weimers Ehefrau, der die Anteile der Mediengruppe zu gleichen Teilen mit dem Herrn Minister gehören, unterschrieb, und eine erste Löschorgie zog durch das Weimersche Kartenhaus-Imperium.
Damit ging der Skandal aber erst richtig los. Andere freie Medien bohrten nach und fanden an allen Ecken und Enden Ungereimtes: Weimers Lebenslauf – von vorne bis hinten gebaerbockt mit nie erhaltenen Preisen, einem erfundenen „besten Abitur Hessens“ und anderen Leckerbissen. Die angebliche Erfolgsgeschichte seiner „Weimer Media Group“ – märchenhaft im wahrsten Sinne des Wortes und tüchtig aufgehübscht von bezahlten Lohnschreibern auf Wikipedia.
Auch das ist noch nicht alles. Schnell stellt sich heraus: Weimers Medien-Konstrukt verdient Geld weniger mit Publizistik als mit prestigeträchtigen Prominenten-Veranstaltungen wie dem „Ludwig-Erhard-Gipfel“ am Starnberger See oder der „Frankfurt Finance & Future Summit“ in der hessischen Bankenmetropole. Alles großzügig gesponsert von den jeweiligen Landesregierungen.
Von der Staatsknete, die der Medienzampano Weimer einstreicht, wollte der Minister Weimer allerdings keine Kenntnis gehabt haben. Behauptete er jedenfalls in der eigenhändig unterschriebenen Antwort auf die Anfrage des AfD-Bundestagsabgeordneten Christoph Birghan. Eine glatte Lüge, das musste er kurz darauf auch zugeben.
Konsequenzen hatte das immer noch nicht. Auch nicht, dass offenkundig etliche seiner angeblichen „Medienpartner“ – FAZ und was sonst so in der Welt der Finanz- und Wirtschaftsmacher einen guten Namen hat – ebenso erfunden waren wie die Schirmherrschaft von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner über seinen Erhard-Gipfel. Wieder eine Abmahnung.
Überhaupt, der Erhard-Gipfel: Da hat „Apollo News“ mal einen Prospekt angefordert und erfahren, dass Weimers Wichtigmacher-Maschine ganz dreist und ungeniert damit wirbt, gegen solide fünfstellige Beträge Zugang und „Einfluss“ auf Minister und politische Entscheidungsträger vermitteln zu können.
Soso: Der Minister und Kanzlerkumpel verkauft also Leuten mit entsprechender Brieftasche das Ohr seiner Kabinettskollegen? Die ersten gehen vorsichtig auf Distanz, einige sagen ihre Teilnahme am „Ludwig-Erhard-Gipfel“ ab. Selbst dem Söder Markus wird es mulmig, er lässt vorsichtshalber mal die Veranstaltung „prüfen“.
Weimer-Ehefrau Christiane Götz-Weimer soll dafür allerdings immer noch den Bayerischen Verfassungsorden „für ihre bedeutenden Beiträge im Verlagswesen und ihre Rolle als Initiatorin und Organisatorin des Ludwig-Erhard-Gipfels“ bekommen. Immerhin sagt sie selbst ab und hilft Gönner Söder damit erst mal aus der Klemme.
Wäre da aber nicht eigentlich längst ein Minister-Rücktritt fällig? Aber woher denn. Die Zeiten, da Bundesminister für größere oder auch nur kleinere Verfehlungen mit Korruptionsgeruch den Hut nehmen mussten, sind schon lange vorbei. In „Unserer Demokratie“ gibt es solchen altmodischen Kram nicht mehr. Da sind die dümmsten und plattesten Ausreden und Verschleierungsmanöver gerade gut genug, um den Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
Weimer weiß, was zu tun ist: Er erklärt die Enthüllungen über seine dubiosen Geschäfte zur „rechten Kampagne“ – in „Unserer Demokratie“ bekanntlich die Standarddiffamierung gegen unerwünschte Regierungskritik – und verkündet mit großartiger Geste, er habe seine Anteile an der „Weimer Media Group“ an einen Treuhänder übertragen.
Mit dieser Rosstäuscherei kommt er zwar bei keinem einigermaßen wachen Kopf durch, der auch nur für fünf Pfennig mitdenken kann – ein Treuhänder handelt immer im Interesse und nach dem Willen des Treugebers, sonst wäre er ja keiner.
Bei den etablierten Medien kommt er mit dieser Nummer allerdings mühelos durch. Die beten brav nach, was sein Medienanwalt ihm da so als „Pressemitteilung“ aufgeschrieben hat. Kritische Nachfragen kommen allenfalls in homöopathischer Dosierung. Medienkampagnen bis zum Sturz eines Ministers, der ungeniert und vor aller Augen Mist gebaut hat, waren gestern. In „Unserer Demokratie“ halten die Guten zusammen „gegen rechts“.
Weimer revanchiert sich für die Schonung mit einer weiteren Rede. Wieder geht es gegen die bösen „digitalen Plattformen“. Die müssten ordentlich scharf reguliert werden, um zu verhindern, „dass uns die gesamten europäischen Gesellschaften in den Rechtsradikalismus abrutschen“ und „das System der freien Medien kollabiert“.
Mit „freie Medien“ meint Weimer natürlich nicht die echten alternativen Medien, die seine ganzen Machenschaften erst aufgedeckt haben – die gehören ja zu den schlimmen „Rechten“. Sondern die etablierten Medien, die ihn immer noch mit Samthandschuhen anfassen. Die sind für Weimer die wahren „freien Medien“ – noch so ein Fall von unfreiwilliger Komik.
Da kann Wolfram Weimer also getrost weiter zäh wie Pattex an seinem Ministersessel kleben. Zumal ja auch sein Kumpel Fritze Merz eisern an ihm festhält, während Frau und Treuhänder seinen notdürftig als „Verlag“ getarnten Lobbyisten-Datingladen für ihn weiter betreiben.
Warum der Kanzler sich nicht von seinem Affärenminister trennt, obwohl dessen Treiben ihn längst selbst beschädigt, darüber wird im politischen Berlin eifrig spekuliert. Vielleicht, weil er ihn in der Hand hat? Schließlich soll bei Weimers Lobbyisten-Kungelrunden schon „über das Comeback von Friedrich Merz“ gesprochen worden sein, „als die Öffentlichkeit daran noch gar nicht dachte“, wie eine Broschüre der „Weimer Media Group“ prahlt.
Oder ist das auch wieder nur eine von Weimers Hochstapeleien? Einerlei: Wenn die beiden stürzen, dann höchstwahrscheinlich eben gemeinsam. Eine Träne wird die übergroße Mehrheit der Deutschen wohl keinem von beiden nachweinen.