NRW-Stichwahlen: Deutschland schaut auf Gelsenkirchen – Wird Norbert Emmerich der erste AfD-Oberbürgermeister im Westen?

An diesem Sonntag (28.September) finden in 147 Kommunen, Kreisen und Städten des einwohnerstärksten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen die Stichwahlen für das Amt des Oberbürgermeisters bzw. Bürgermeisters oder Landrats statt. Erstmals in der NRW-Geschichte kämpfen drei AfD-Kandidaten um einen Oberbürgermeister-Posten: in den Ruhrgebietsstädten Duisburg, Gelsenkirchen und Hagen. Für die AfD liegt der Fokus auf Gelsenkirchen, wo die Chancen für einen finalen Sieg am größten sind.

Spitzenpolitiker aller Parteien sind an diesem Wochenende noch einmal an Rhein und Ruhr unterwegs. In der früheren Kohlebergbaustadt Gelsenkirchen, die in ihrer Blütezeit wegen der Fackeln, die überschüssiges Grubengas in den Kokereien verbrannten, die „Stadt der tausend Feuer“ hieß, brennt die Altparteien-Hütte. Denn ein Sieg des Gelsenkirchener AfD-Kandidaten Nobert Emmerich bei der Stichwahl am Sonntag ist in greifbare Nähe gerückt. Lange regierte die SPD hier, im einstigen Zentrum der Schwerindustrie, mit absoluter Mehrheit. Nun sitzt der Schock tief.

Kopf-an-Kopf-Rennen

Bei der Bundestagswahl im Februar war die Stadt im Ruhrgebiet der erste blaue Zweitstimmen-Fleck im Westen der Republik. Bei der Kommunalwahl vor zwei Wochen fehlten der AfD in Gelsenkirchen nur 0,5 Prozent zum Zweitstimmen-Sieg.

Gelsenkirchen ist neben Hagen und Duisburg eine der drei Städte, in denen es Kandidaten der NRW-AfD in die Stichwahl um das Oberbürgermeisteramt geschafft haben. Die deutsche Politik blickt vor allem auf Gelsenkirchen, wo sich am Sonntag entscheidet, ob künftig Norbert Emmerich (72/AfD) oder Andrea Henze (49/SPD) im Rathaus regieren. Emmerich wäre der erste AfD-OB im Westen der Republik.

In der einstigen SPD-Hochburg Gelsenkirchen war Emmerich im ersten Wahlgang vor zwei Wochen auf 29,8 Prozent gekommen, Henze auf 37,0 Prozent. Auch wenn es denkbar knapp werden dürfte: Der AfD-Bewerber rechnet sich reale Chancen aus, die Stichwahl zu gewinnen. Emmerich setzt vor allem auf CDU-Wähler.

Verfallene Häuser, Müll, Ratten und ein mafiöses Betrugssystem beim sogenannten „Bürgergeld“: Gelsenkirchen, heute die ärmste Stadt Deutschlands, ist tief gefallen. Mehr als die Hälfte des kommunalen Haushaltes geht für Sozialleistungen drauf. Wer durch die Problemviertel läuft, sieht überall das Elend der Armutsmigration in die deutschen Sozialsysteme.

Vor einigen Jahrzehnten war das „Blaue Haus“ mit der verschnörkelten Gründerzeitfassade eine begehrte Immobilie – zentral gelegen im Stadtteil Schalke, das Traditionsstadion liegt gleich um die Ecke. Jetzt pfeift der Wind durch kaputte Fenster, die Ladenlokale sind mit Holz verrammelt. An den Briefkästen stehen keine Namen. Das massige dreistöckige Eckhaus sieht unbewohnt aus – doch der Eindruck täuscht. Jetzt heißt es das „Regenbogenhaus“ – ein Projekt, das der mit seinem Abstieg in die 2.Bundesliga immer linksgrüner gewordene FC Schalke 04 unterstützt.

Wer ist der Mann, der am Sonntag als erster AfD-Oberbürgermeister in Nordrhein-Westfalen bundesweit Schlagzeilen machen könnte? Emmerichs Stärke ist seine Lebenserfahrung. Die Eurokrise brachte den heute selbständigen Finanzberater zur AfD. Berufliche Stationen nach seiner Zeit beim Bundesgrenzschutz waren u.a. die Dresdner Bank und die Sparkasse Essen.

Dass Emmerich, Jahrgang 1953, auch noch im Rentenalter selbständig Menschen bei der Vermögensanlage berät, hält ihn nach eigenen Worten „fit“. Jetzt wolle er auch „die Finanzen in Gelsenkirchen aufs ordentliche Maß schieben.“ Man könne nicht immer nur nach Hilfe von Bund und Land schreien – „wir müssen in Gelsenkirchen finanziell unabhängiger werden.“

„Familie ist für mich alles“, sagt der Vater einer Adoptivtochter (45) und eines Sohnes (25). Die Kinder musste Emmerich beide zum größten Teil alleinerziehend großziehen. Die erste Ehe wurde geschieden, seine zweite Frau starb 2007 an Lungenkrebs. „Für Politik“, sagt Emmerich, „hatte ich lange keine Zeit.“ Dass man ihn den „netten Opa von der AfD“ nennt, stört Norbert Emmerich nicht. Er versteht es als Kompliment, als Anerkennung seiner Lebenserfahrung.

Die Themen Migration und Wirtschaft spielten auch im NRW-Kommunalwahlkampf eine herausragende Rolle – vor allem bei den Menschen im Ruhrgebiet. Eine dunkelhaarige Frau, 52 Jahre alt, bekennt: „Selbst ich habe die AfD gewählt, und ich bin Türkin.“

Als ihr jemand ein öffentlich-rechtliches Mikrofon vor die Nase hält und zu bedenken gibt, die AfD mache „Stimmung gegen Migranten“, antwortet die Türkin: „Ganz ehrlich, für meinen Geschmack leben hier zu viele Ausländer, die sich nicht anpassen. Ich lebe seit fast 50 Jahren in Gelsenkirchen, gehe arbeiten, zahle Steuern. Die Menschen, die erst in den vergangenen Jahren hierhergekommen sind, die haben da gar keine Lust darauf.“

Selbst der „Westdeutsche Rundfunk“ (WDR), der im Volksmund mal „Rotfunk“ hieß und heute „Grünfunk“ genannt wird, kommt an den Tatsachen nicht mehr vorbei: Kriminelle Banden locken Menschen aus Osteuropa mit falschen Jobversprechen nach Deutschland. Beantragtes „Bürgergeld“ fließt in dunkle Kanäle. Städte im Ruhrgebiet sind besonders betroffen – sie werden von der „Bürgergeld“-Mafia regelrecht ausgeplündert.

Vorgeblich Jobsuchende, hauptsächlich aus Bulgarien und Rumänien, werden in heruntergekommenen Häusern einquartiert. Sie beantragen dann als vermeintliche Aufstocker „Bürgergeld“. Das Geld versickert in mafiösen Strukturen. Arbeitsverträge mit niedrigen Löhnen erweisen sich dabei als gefälscht, um staatliche Sozialleistungen abzugreifen.

„Uns wählen Migranten, die keine Lust mehr auf diese Zustände haben!“

Möglich wird das einem WDR-Report zufolge durch günstigen Wohnraum, vor allem in Städten mit vielen Schrottimmobilien. Vermieter und Arbeitgeber sind dabei oft identisch oder eng mit einander verflochten. Besonders betroffen sind Städte wie Duisburg oder Gelsenkirchen.

Nach Angaben der Jobcenter gibt es unterschiedlichste Betrugsformen: Arbeitgeber, die gar nicht existieren, falsche Stundenzahlen, Schwarzarbeit. Möglich macht dies vor allem die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit, die seit 2014 auch für Bulgarien und Rumänien gilt. Wer in einem EU-Mitgliedsstaat arbeitet und lebt, darf dort Sozialleistungen beantragen.

Die Stimmung in Gelsenkirchen beschreibt Norbert Emmerich mit einem Satz, der eigentlich alles sagt: „Uns wählen hier Migranten, die keine Lust mehr haben auf diese katastrophalen Zustände!“

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