Ein neues Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) droht Abschiebungen praktisch unmöglich zu machen! Die Richter in Luxemburg haben die Anforderungen für sogenannte sichere Herkunftsstaaten drastisch verschärft und damit die Hürden für beschleunigte Asylverfahren sowie Abschiebungen erhöht.
Laut EuGH können die 27 EU-Mitgliedstaaten nur dann Listen sicherer Herkunftsländer festlegen, wenn sie die Quellen für ihre Einschätzung offenlegen und alle Bevölkerungsgruppen in dem jeweiligen Land, also beispielsweise auch Homosexuelle, sicher sind.
Hintergrund ist, dass sich die 27 EU-Staaten bisher nicht auf eine einheitliche Liste sicherer Herkunftsländer und ein gemeinsames Asylsystem (GEAS) einigen konnten. Stattdessen haben verschiedene EU-Staaten jeweils eigene Listen erstellt, die teilweise erheblich voneinander abweichen. So umfasst die italienische Liste sicherer Staaten derzeit 19 Länder, die deutsche Liste aber nur zehn.
► Was gilt bisher in Deutschland?
Als sicher zählen nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) alle Länder, in denen wegen des demokratischen Systems und der politischen Lage keine staatliche Verfolgung des Asylbewerbers zu befürchten ist. Durch diese Definition kann die Entscheidung über den Asylantrag beschleunigt werden.
▶ Welche Staaten sind bei uns als sichere Herkunftsstaaten eingestuft?
In Deutschland gehören alle EU-Länder sowie Albanien, Bosnien-Herzegowina, Georgien, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Moldau, Senegal und Serbien dazu. Die EU-Kommission hat eine Ergänzung um Bangladesch, Kolumbien, Ägypten, Indien, Marokko und Tunesien vorgeschlagen.
▶ Was kam es jetzt zu dem Urteil?
Hintergrund ist eine Vereinbarung zwischen Italien und Albanien. Dort sollen volljährige und männliche Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern in zwei Lagern untergebracht werden, bis über ihre Asylanträge entschieden ist. Im konkreten Fall hatten zwei Männer aus Bangladesch gegen die Einstufung ihrer Heimat als sicheres Herkunftsland geklagt.
▶ Welche Auswirkungen hat das Urteil auf Deutschland?
„Das Urteil ist auch für Deutschland wegweisend, denn die europäischen Vorgaben zur Einstufung sicherer Herkunftsstaaten gelten auch hier“, sagt Pauline Endres de Oliveira, Migrationsrechts-Professorin an der Humboldt-Uni in Berlin.
Heiko Teggatz, Vorsitzender der Bundespolizei-Gewerkschaft, warnt: „Das sind ganz schlechte Vorzeichen für das Gelingen der Umsetzung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems (GEAS).“ Deshalb sei die Bundesregierung gut beraten, „das nationale Recht so zu gestalten, dass die Migrationswende in Deutschland notfalls auch ohne GEAS fortgesetzt werden kann.“