„Bollwerk gegen illegale Migration“ -
Alice Weidel und Viktor Orbán im demonstrativen Schulterschluss

„Heute habe ich die Zukunft Deutschlands getroffen. Es war mir eine Ehre, Sie in Budapest begrüßen zu dürfen, Frau Vorsitzende Alice Weidel!“ Der ungarische Ministerpräsident sparte nicht mit großen Worten und Komplimenten, als er die AfD-Kanzlerkandidatin wie einen Staatsgast in seiner Hauptstadt empfing.

Fototermin vor dem Amtssitz des Regierungschefs mit haushoher Deutschland- und Ungarn-Fahne, ausführliches Spitzengespräch, anschließend gemeinsame Pressekonferenz mit reichlich drapierten ungarischen und deutschen Nationalfarben – zum kompletten Protokoll für einen Staatsbesuch fehlte im Grunde nur noch die militärische Ehrenformation. Das blaue EU-Banner fehlte im Fahnenschmuck so durchgängig wie demonstrativ: Auch das eine Botschaft.

Auf ihrer Pressekonferenz übten Alice Weidel und Viktor Orbán den demonstrativen Schulterschluss. Er habe im Programm der Alternative nichts gefunden, was nicht gut für Ungarn sei, betonte der Gastgeber. Orbán hob besonders das gemeinsame Ziel einer strengen Migrationspolitik hervor. Ungarn sei das „Bollwerk gegen illegale Migration“, gab die AfD-Vorsitzende zurück und rühmte Orbán als Vorbild und „Symbol für Vernunft, Souveränität und Unabhängigkeit“.

Was die EU angehe, sei er im gemeinsamen Meinungsaustausch sogar noch radikaler gewesen als Weidel, kokettierte der Ungar. Die gegen die Bürger gerichtete „grüne“ EU-Klima- und Energiepolitik, die falsche Wirtschaftspolitik und die Russlandsanktionen zögen die Europäer in den Abgrund. Im russisch-ukrainischen Krieg sei Ungarn das einzige EU-Land, das auf der Seite des Friedens stehe. Ungarn allein könne aber die EU nicht aus der Krise retten, das gehe nicht ohne Deutschland.

Die EU müsse in einer gemeinsamen Anstrengung von Grund auf reformiert werden, griff die AfD-Kanzlerkandidatin die Vorlage auf. Die teure und korrupte Brüsseler Bürokratie müsse beseitigt und die „ruinöse Wirtschafts-, Steuer- und Migrationspolitik“ beendet werden, um Europa „von Tag eins an“ neu auszurichten. Die Reformimpulse müssten von den Nationalstaaten und ihren Parlamenten ausgehen.

Deutschland sei „schwach geworden“, konstatierte Weidel und gab die Hauptverantwortung der „ersten ‚grünen‘ Kanzlerin Angela Merkel“. Sie habe Deutschland ruiniert, sein energiepolitisches Rückgrat zerstört und das Land durch unkontrollierte Migration und falsche Wirtschaftspolitik geschwächt. Die AfD wolle in Regierungsverantwortung umsteuern, die Steuern senken und Deutschland „wieder vom Kopf auf die Füße stellen“, damit es als sicheres und wohlhabendes Land in guten Beziehungen zu allen Nachbarn stehen könne. Dafür sei Ungarn „ein besonderes Vorbild“.

Die AfD sei keine Partei, die üblicherweise von Regierungschefs anderer Länder eingeladen werde; es sei höchste Zeit, das zu ändern, hatte Viktor Orbán zu Beginn seiner Ausführungen süffisant erklärt. Dem Ungarn bereitete es sichtlich Vergnügen, mit seinem betont ehrenvollen Empfang für Alice Weidel den etablierten Parteien namentlich in Deutschland zu signalisieren, dass es auch andere Partner gebe, in denen er größere Zukunftsperspektiven erblickt.

In den zurückliegenden Jahren hatte Orbán mit Rücksicht auf Befindlichkeiten der deutschen Regierungsparteien offizielle Kontakte zur AfD trotz unverkennbarer Sympathien stets vermieden. Mit dem Machtwechsel in den USA und dem Vorgehen der Trump-Regierung gegen den „tiefen Staat“, der sich auch in Ungarn destabilisierend eingemischt hatte, hat sich die Lage entscheidend verändert.

Die amerikanischen Bestrebungen zur schnellen Beendigung des Ukraine-Kriegs und die Rechtsverschiebungen der politischen Landschaft in weiteren europäischen Ländern haben nicht nur die Position Ungarns gestärkt. Sie eröffnen auch der AfD neue Perspektiven, mit wachsendem Gewicht die Isolation in der europäischen Rechten zu überwinden, die bislang vor allem vom französischen Rassemblement National und dessen Chefin Marine Le Pen betrieben worden war. Viktor Orbán hat hierbei mit seiner Einladung an Alice Weidel einmal mehr die Rolle des Eisbrechers übernommen.

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