Die Parteien sind bereits voll im Wahlkampf-Modus. Das alles überlagernde Thema in Deutschland ist nach dem krachenden Ampel-Aus das Parteien-Gezerre um den Neuwahl-Termin. Wer will was? Die Lage im Überblick.
Januar, Ende März oder vielleicht doch irgendwann im Februar? Seit Tagen wird darüber diskutiert, wann die vorgezogene Bundestagswahl kommen soll. Fest steht nur, dass es irgendwann zwischen dem 19. Januar (will die Union) und dem 30. März (ursprüngliche SPD-Planung) passiert.
Wie geht es weiter?
Am Dienstag (12. November) tagen die Bundestagsfraktionen, am Mittwoch gibt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Deutschen Bundestag eine Regierungserklärung zur aktuellen innenpolitischen Lage ab.
Was will Scholz?
Voraussetzung für Neuwahlen ist die gescheiterte Vertrauensfrage des Kanzlers nach Artikel 68 des Grundgesetzes.
Darin heißt es in Absatz 1: „Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen. Das Recht zur Auflösung erlischt, sobald der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen anderen Bundeskanzler wählt.“
Absatz 2 bestimmt: „Zwischen dem Antrage und der Abstimmung müssen achtundvierzig Stunden liegen.“
Ursprünglich hatte Scholz geplant, die Vertrauensfrage am 15. Januar zu stellen, um dann Ende März zu Neuwahlen zu kommen. Der 30. März würde sich anbieten, weil dann in keinem Bundesland Ferien sind, was im Normalfall ein wichtiges Kriterium bei der Festlegung von Wahlterminen ist.
Scholz wollte gleichzeitig eine Vereinbarung mit der Union treffen, welche Projekte man bis zum Wahltermin noch im Bundestag beschließen kann, hält daran aber nicht mehr unbedingt fest. Bezüglich der Vertrauensfrage ist er jetzt bereit, diese noch vor Weihnachten zu stellen.
Was will die Union?
Der Union ist das alles viel zu spät. Sie hat Scholz aufgefordert, die Vertrauensfrage schon in dieser Woche zu stellen und dann am 19. Januar das Volk wählen zu lassen. Das Datum wäre außer dem 30. März der einzige Sonntag im Frühjahr 2025, an dem es keine Ferien gibt.
Oder kommt es schon diese Woche zum Schwur?
Scholz hat ausgeschlossen, die Vertrauensfrage im Anschluss an seine Regierungserklärung am Mittwoch dieser Woche zu stellen. Das ist auch gar nicht mehr möglich. Denn dafür hätte der Kanzler diesen Antrag heute, 12. November, beim Bundestag einreichen müssen (Artikel 68 des Grundgesetzes, Absatz 2).
Was will die AfD?
Die AfD hätte Neuwahlen lieber heute als morgen. „Bundeskanzler Scholz hat das Vertrauen der deutschen Bevölkerung lange verloren, und er muss den Weg für Neuwahlen sofort frei machen“, forderte die designierte Kanzlerkandidatin Alice Weidel noch am Abend des Koalitionsbruchs. Wäre es nach der AfD gegangen, dann hätte Scholz bereits am vergangenen Freitag die Vertrauensfrage stellen sollen.
Wie ist der aktuelle Diskussionsstand?
Der Kanzler hat inzwischen eingelenkt. Am Sonntagabend sagte in der ARD (Caren Miosga), dass er die Vertrauensfrage auch vor Weihnachten stellen würde, wenn sich die Fraktionen darauf einigen.
Anschließend gibt es laut Verfassung Fristen von zusammen 81 Tagen, in denen der Wahltermin liegen muss.
Würde Scholz die Vertrauensfrage etwa am 20. Dezember, dem Freitag vor Weihnachten, stellen, wäre der späteste Wahltermin der 9. März. Das wäre eine Woche nach der Landtagswahl in Hamburg. Vom Wahlausgang in ihrer norddeutschen Hochburg erhofft sich die SPD bundesweit Rückenwind.
„So spät wie möglich“ ist aber auch aus einem anderen, naheliegenden Grund im Interesse der Genossen: Aktuell liegt die SPD in den Umfragen weit abgeschlagen hinter der Union. Sie wäre nur drittstärkste Kraft hinter der AfD.
Die Sozialdemokraten hoffen darauf, dass Merz im Wahlkampf Fehler macht wie 2021 der Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU), als dieser bei einem Statement des Bundespräsidenten während der Flutkatastrophe an der Ahr im Hintergrund feixte und lachte, während die Kameras liefen. Das war eine Steilvorlage für die SPD, die im Juli 2021 einen aussichtslos scheinenden Rückstand doch noch aufholen und am Wahlabend klar vor der Union triumphieren konnte.
Warum drückt die Union auf Tempo?
Besser als in den aktuellen Umfragen kann es für CDU und CSU kaum werden. Die Union liegt nicht nur mit großem Abstand vor SPD und „Grünen“, sondern auch vor der AfD (zumindest noch). Je näher der Wahltermin liegt, desto geringer ist die Gefahr, dass der Vorsprung schrumpft.
Tatsächlich hat die Union bisher nicht vom Bruch der Ampel profitieren können. Darauf deutet die jüngste INSA-Erhebung hin. Die Union stagniert bei 32 Prozent, während die AfD binnen einer Woche um einen satten Punkt auf 19 Prozent zulegen konnte. Überhaupt war die AfD die einzige Partei, die auf ein Plus kam. Die Altparteien inklusive BSW verloren oder traten auf der Stelle.
Was bringt die Woche?
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich will nun zügig vertrauliche Gespräche mit CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz führen. Die Fraktionen von SPD und „Grünen“ haben zudem für Dienstag eine öffentliche Sondersitzung des Wahlprüfungsausschusses des Bundestags beantragt. Es sei dort „mit der Bundeswahlleiterin zu diskutieren, wann die Neuwahl aus ihrer Sicht mit ihrer praktischen Erfahrung frühestens stattfinden kann“, heißt es laut dpa in einem Antragsschreiben an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD).
Vielleicht sieht Deutschland in 24 Stunden, nach den Sitzungen der Bundestagsfraktionen, etwas klarer.