Mit dem Bruch seines zentralen Wahlversprechens ist das Bündnis Sahra Wagenknecht in Thüringen auf dem besten Weg, zu einer Partei zu werden, von der es nicht noch mehr braucht. Der jetzt offen aufgebrochene Machtkampf im BSW zeigt: Der Parteigründerin entgleitet die Partei!
Eine Frau, ein Befehl und im Hintergrund ein Mann in Gestalt des früheren SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine – so sollte das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) nach dem Vorbild einer altstalinistischen Kaderpartei funktionieren. Doch in Thüringen hat sich das AfD-Verhinderungskartell aus BSW, CDU und SPD auf Koalitionsverhandlungen geeinigt – gegen den erklärten Willen von BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht!
Der entgleitet die eigene Partei, der in Thüringen Ministerposten offenbar wichtiger sind als das zentrale Wahlversprechen, mit CDU und SPD nur zu koalieren, wenn diese der Kriegstreiberei abschwören.
Jetzt haben in Thüringen offizielle Koalitionsverhandlungen des AfD-Verhinderungskartells begonnen. In sieben Arbeitsgruppen wollen BSW, CDU und SPD bis Mitte November ein Regierungsprogramm erarbeiten, um CDU-Landeschef Mario Voigt spätestens im Dezember zum Ministerpräsidenten in Erfurt zu wählen.
Parteichefin Sahra Wagenknecht schäumt vor Wut. Zweimal hatte sie die in Erfurt beschlossene Wischiwaschi-Präambel zum Thema Krieg und Frieden als unzureichend verworfen. Das ficht die nach dem Amt der stellvertretenden Ministerpräsidentin lechzende Thüringer BSW-Landesvorsitzende Katja Wolf nicht an. Sie lässt sich von Wagenknecht nichts mehr sagen.
Wolf will die mit CDU und SPD in den Vorgesprächen vereinbarten butterweichen Formulierungen auch gegen Wagenknecht durchsetzen. Eine Zustimmung der Bundesspitze zur sogenannten Friedenspräambel sei „rein formal nicht vorgesehen“, stellte die Thüringer BSW-Chefin vorsorglich klar.
Wagenknechts Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: Sie kritisierte den Entwurf der Thüringer Präambel als „Fehler“. Die Vereinbarung von Erfurt bleibe leider deutlich hinter dem Kompromiss zurück, der gerade in Brandenburg mit der SPD gefunden worden sei, sagte die BSW-Vorsitzende dem „Spiegel“.
Blabla statt klarem Nein zu Waffen
In der Präambel hatten sich BSW, CDU und SPD auf eine dehnbare Formulierung zum Thema Frieden im Allgemeinen und Ukraine-Krieg im Besonderen geeinigt: „CDU und SPD sehen sich in der Tradition von Westbindung und Ostpolitik. Das BSW steht für einen kompromisslosen Friedenskurs.“
Weiter heißt es: Es gebe zwischen den Parteien unterschiedliche Auffassungen „hinsichtlich der Notwendigkeit von Waffenlieferungen an die Ukraine zur Verteidigung ihrer territorialen Integrität und Souveränität“. Man sei sich aber einig im Ziel, eine diplomatische Lösung des Krieges gegen die Ukraine voranzutreiben.
Damit unterscheidet sich die Thüringer Vereinbarung im Kern deutlich vom Koalitionspapier in Brandenburg, in dem ausdrücklich betont wird: „Der Krieg wird nicht durch weitere Waffenlieferungen beendet werden können.“
Auch von einer sich immer schneller drehenden „Kriegsspirale“, in die Deutschland hineingezogen werde, ist anders als im Brandenburger Text nichts zu lesen.
Phrasendrescherei auch in der Raketenfrage
Besonders deutlich wird der Unterschied an der Stelle, in der es um die geplante Stationierung amerikanischer Mittelstrecken- und Hyperschallraketen geht. Während in Brandenburg deren Stationierung „auf deutschem Boden kritisch“ bewertet wird, stehen dazu in der Thüringer Präambel nur hohle Phrasen.
Zur Raketenfrage verständigte man sich auf reines Polit-Gemöhre : Viele Menschen in Thüringen würden die geplante Stationierung von Mittelstrecken- und Hyperschallraketen „kritisch sehen bzw. ablehnen“. Die künftige Regierung des Freistaates fördere deshalb „eine breit angelegte Debatte“ darüber und „verleiht auch dieser Haltung im Sinne eines nachhaltigen Einsatzes für Frieden eine öffentliche Stimme“.
FAZIT: Der Konflikt zwischen Wolf und Wagenknecht dürfte weiter eskalieren. Wolf will in Erfurt offenbar um jeden Preis regieren, während Wagenknecht mit dem Thüringer Papier für ihre Partei ein Riesen-Glaubwürdigkeitsproblem im Bundestagswahlkampf befürchtet. Ihr Plan, nur in Brandenburg mitzuregieren, in Thüringen und Sachsen die Verantwortung für ein Scheitern der sogenannten „Brombeer“-Koalitionen bei CDU und SPD abzuladen, scheint nicht aufzugehen.
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der BSW-Gruppe im Bundestag, Jessica Tatti, und BSW-Bundesschatzmeister Ralph Suikat bringen es in einem Beitrag für das Portal t-online auf den Punkt: Katja Wolf und ihr Co-Vorsitzender Steffen Schütz „sind in Thüringen auf dem besten Weg, das BSW zu einer Partei zu machen, von der es nicht noch eine braucht!“