Nach dem Verzicht von US-Präsident Joe Biden auf eine erneute Kandidatur für die Demokraten halten politische Beobachter in Washington seinen Rücktritt auch als Präsident noch vor der Wahl im November für wahrscheinlich. Eine Kandidatur der bei den Amerikanern unbeliebten, aber vom Partei-Establishment favorisierten Vizepräsidentin Kamala Harris, die Biden selbst vorgeschlagen hat, gilt keineswegs als ausgemacht.
Die endgültige Entscheidung soll in gut vier Wochen beim Nominierungsparteitag der Demokraten in Chicago fallen. Der republikanische Herausforderer, Ex-Präsident Donald Trump, reagierte derweil auf den Rückzug Bidens mit beißendem Spott.
Sein Wahlkampfteam habe Zeit und Geld in „den Kampf gegen den betrügerischen Joe Biden“ investiert – „jetzt müssen wir wieder von vorn anfangen“, polterte Trump auf seiner Internet-Plattform „Truth Social“. Der Präsidentschaftskandidat der Republikaner behielt sich eine „Entschädigung“ für diesen „Betrug“ an seiner Partei vor.
„Schlechtester Präsident der Geschichte“
Bereits eine Stunde nachdem die Nachricht von Bidens Verzicht um die Welt gegangen war, hatte Donald Trump an seinem Amtsnachfolger und bald wahrscheinlich auch Amtsvorgänger kein gutes Haar gelassen: „Der korrupte Joe Biden ist der mit Abstand schlechteste Präsident in der Geschichte unserer Nation. Er hat alles getan, was möglich war, um unser Land zu zerstören, von unserer Südgrenze über die Vorherrschaft im Energiebereich, die nationale Sicherheit, die internationale Stellung und vieles mehr“, schrieb Trump ebenfalls auf „Truth Social“ und ätzte weiter: „Er wurde in einer erderschütternden Debatte vernichtet, und jetzt werfen ihn die korrupten und radikalen Demokraten über Bord. Er war von Anfang an nicht diensttauglich, aber die Leute um ihn herum haben Amerika über seinen vollständigen und totalen geistigen, körperlichen und kognitiven Niedergang belogen. Wen auch immer die Linke jetzt aufstellt, es wird nur noch mehr vom Gleichen sein.“
Trump über Harris: „Sie ist irre!“
Am Wochenende, genau eine Woche nach dem Attentat, war Trump gemeinsam mit seinem Vizepräsidentschaftskandidaten J.D. Vance in Grand Rapids im US-Bundesstaat Michigan erstmals wieder im Wahlkampf aufgetreten. Vor jubelnden Anhängern sagte er mit Blick auf das Attentat erneut: „Ich stehe nur durch die Gnade des allmächtigen Gottes vor euch.“ Dann gab er sich angriffslustig wie eh und je.
Schonungslos ging Trump Vizepräsidentin Kamala Harris an, die jetzt als Ersatzkandidatin der Demokraten im Gespräch ist. Harris, ehemalige Bezirksstaatsanwältin im linksgrün-woken San Francisco, gilt ebenso wie Biden als Vertreter des „tiefen Staates“ („deep state“). Als Bidens Migrationsbeauftragte wird sie für das Einwanderungs-Chaos an den US-Südgrenzen verantwortlich gemacht. „Sie ist verrückt“, wetterte Trump. Das könne er an ihrem Lachen erkennen – „sie ist irre!“
Altparteien verneigen sich vor Biden
Kurz nach der Ankündigung Bidens, er werde nicht für eine zweite Amtszeit kandidieren, meldeten sich in Berlin Altparteien-Kriegstreiber und sogenannte Transatlantiker zu Wort, um dem noch amtierenden Präsidenten demutsvoll zu huldigen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte auf X: „Mein Freund Joe Biden hat viel erreicht: für sein Land, für Europa, die Welt. Dank ihm ist die transatlantische Zusammenarbeit eng, die NATO stark.“
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz, „Grünen-Chefin Ricarda Lang und der CDU-„Außenpolitiker“ Norbert Röttgen zollten Biden jeweils „größten Respekt“. Der SPD-„Außenpolitiker“ Ralf Stegner erklärte, Bidens Rückzug sei „alternativlos und notwendig“, um Trump doch noch zu besiegen. Ähnlich äußerte sich die unsägliche FDP-Kriegstreiberin und Rüstungslobbyistin Marie-Agnes Strack-Zimmermann: „Noch können die Demokraten die Wahl für sich entscheiden“, sagte sie der „Rheinischen Post“ (Düsseldorf).
AfD reagiert mit Ironie
Für die AfD äußerte sich die stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag, Beatrix von Storch. Sie bedaure „den Verzicht von #Biden auf die Präsidentschaftskandidatur. Er war der beste Wahlkämpfer, den #Trump hatte“, schrieb sie ironisch auf X und fügte hinzu: „Und an alle, die jetzt erst der Meinung sind, die Entscheidung sei richtig, weil Biden ja erkennbar dement ist: DAS WAR ER SEIT JAHREN. Erkennbar.“