In die Debatte um das umstrittene Verbot des regierungskritischen und angeblich rechtsextremistischen Print-Magazins „Compact“ und seiner Multimedia-Ableger durch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat sich jetzt auch der renommierte Staatsrechtler Ulrich Vosgerau eingeschaltet. Der Jurist ist ebenso wie immer mehr Verfassungsrechtler in großer Sorge um die Pressefreiheit in Deutschland.
„Wo kommen wir eigentlich hin, wenn in Deutschland jetzt schon Zeitschriften verboten werden?“, mahnt Vosgerau auf X. Er selbst sei zwar „nie ein Fan“ von „Compact“ gewesen, schreibt Vosgerau, stellt aber die Rechtmäßigkeit des Verbots eines „offenbar völlig legal operierenden Mediums“ in Frage.
Vosgerau, der sich im Zusammenhang mit seiner Teilnahme am „Potsdamer Geheimtreffen“ erfolgreich gegen das linke Lügenportal „Correctiv“ juristisch durchgesetzt hat, erinnert „an die Demokratie: in der alten Bundesrepublik, unter den Kanzlern Schmidt und Kohl“ und zieht eine interessante historische Parallele mit Blick auf Faesers „Compact“-Verbot.
Der Jurist schreibt: „ (…) im Kalten Krieg, als massenhaft sowjetische Atomsprengköpfe auf uns zielten und im Prinzip jederzeit der Durchbruch des Warschauer Pakts im ‚Fulda Gap‘ erwartet wurde, gab es jede Menge systemoppositioneller, offen kommunistischer, gar mit dem Sowjetblock sympathisierende Zeitschriften, Medien und Verlage, nicht wenige davon wurden von der DDR finanziert. Einer der übelsten davon war der Pahl-Rugestein-Verlag, in dem u.a. der heutige Bundespräsident Steinmeier publizierte (!). Heute schreibt der bekanntlich Bücher, in denen er versucht, ein neues ‚Wir‘ zu definieren – ohne die Opposition (!).“
Weiter heißt es in dem Beitrag auf X: „Niemand dachte in der alten, funktionierend demokratischen Bundesrepublik daran, diese Medien und Verlagen zu ‚verbieten‘, trotz militärischer Bedrohung und begreiflicher Angst vor ‚Fünften Kolonnen‘. Es war eben anerkannt, dass im Westen die Ausübung der Grundrechte nicht unter dem Vorbehalt der ‚System-Einpassung‘ und des Verzichts auf Fundamentalopposition steht.“
Vosgerau beschleicht am Ende seines Tweets ein ungutes Gefühl: „Die Postdemokratie schreitet voran; man bemüht sich erkennbar immer weniger, die Entwicklungen noch als ‚demokratisch‘ oder gar ‚freiheitlich‘ erscheinen zu lassen.“
Auch andere Staats- und Verfassungsrechtler melden sich zunehmend kritisch zu Wort. Ihr gemeinsamer Tenor: „Faeser hebelt die Pressefreiheit durch das Vereinsrecht aus!“
So betonte der Verfassungsrechtler und frühere Bundesverteidigungsminister Rupert Scholz gegenüber dem liberal-konservativen Portal „Tichys Einblick“: „Die Meinungsfreiheit genießt einen so hohen Verfassungsrang, dass sie nicht einfach durch eine Exekutiventscheidung ausgehebelt werden kann. Verbieten lässt sich ein Medium höchstens, wenn es eine revolutionäre Position vertritt, also zum Sturz der bestehenden Ordnung mit Gewalt aufruft. Das müsste dann aber zu einem Strafverfahren führen.“
„Faeser hat ein illiberales Demokratieverständnis“
In den Mainstream-Medien läuft die Debatte dagegen kontrovers. Aber auch hier wird das Vorgehen der Innenministerin vielfach als „heikel“ gewertet und deren Zuständigkeit in Frage gestellt.
Herausragend im Medien-Echo ist die Kommentierung im regierungskritischen Politikmagazin „CICERO“, das schwere Bedenken gegen das Vorgehen Faesers geltend macht: „Das Grundgesetz setzt sehr hohe Hürden, wenn es um die Einschränkung der Pressefreiheit in Deutschland geht. Und genau deshalb ist das Compact-Verbot durch die Bundesinnenministerin eine ziemlich heikle Angelegenheit. Denn im konkreten Fall hat eben nicht ein unabhängiges Gericht entschieden, sondern eigenmächtig eine Politikerin, die derzeit Bundesinnenministerin der Bundesrepublik Deutschland ist und es wohl bald nicht mehr sein wird. Die Frage drängt sich auf: Ist das Compact-Verbot tatsächlich ein ‚harter Schlag‘ gegen den Rechtsextremismus, wie Faeser behauptet? Oder doch ein Angriff auf die Pressefreiheit durch eine Politikerin, die mit ihrem illiberalen Demokratieverständnis schon mehrfach aufgefallen ist?“