Zwischenrufe aus dem Plenum sind das Salz in der parlamentarischen Suppe. Ohne sie wären die Debatten im Deutschen Bundestag noch fader, noch langweiliger. Jetzt will die Ampel die Geschäftsordnung mit einem Quasi-Maulkorb für die AfD-Fraktion verschärfen.
Denn seit die AfD im Parlament sitzt, ist der Ton im „Hohen Hause“ zweifelsohne rauer und schärfer geworden. Im Volksmund würde man sagen: Es ist wieder Leben in der Bude! Die jetzt von der Ampel geplanten Neuregelungen laufen darauf hinaus, ein weiteres Stück lebendiger Demokratie zu ersticken.
Für die „Beleidigung anderer Abgeordneter“ oder „unflätige Äußerungen in den Ausschüssen“ sollen Mitglieder des Deutschen Bundestags künftig deutlich stärker bestraft werden. Das Ordnungsgeld dafür soll auf 2.000 Euro steigen – doppelt so viel wie bisher. Das sieht ein Antrag der Ampelfraktionen SPD, „Grüne“ und FDP zur Änderung der Bundestags-Geschäftsordnung vor. Konkret geht es u.a. um den sogenannten „Pöbelparagrafen“ 37.
► Wird ein Abgeordneter innerhalb von drei Sitzungswochen dreimal „zur Ordnung“ gerufen, soll der/die sitzungsleitende Präsident(in) ein Ordnungsgeld gegen den oder die Abgeordnete festsetzen. Kommt es zu einer „nicht nur geringfügigen Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestages“, kann das Ordnungsgeld auch sofort verhängt werden, also ohne vorherige Ordnungsrufe. Die Höhe des Ordnungsgeldes soll künftig 2.000 Euro betragen. „Im jeweiligen Wiederholungsfall erhöht sich das Ordnungsgeld auf 4.000 Euro“, heißt es in der Änderungsvorlage. Die Änderungen sollen nach der Sommerpause beschlossen werden.
► Auch für Reden plant die Ampel, strengere Regeln einzuführen. Bislang heißt in Paragraf 33 in der Geschäftsordnung nur: „Die Redner sprechen grundsätzlich in freiem Vortrag. Sie können hierbei Aufzeichnungen benutzen.“ Nun soll der Paragraf wie folgt ergänzt werden: „Die Rede sowie alle anderen Beiträge zur Beratung sollen vom gegenseitigen Respekt und von der Achtung der anderen Mitglieder sowie der Fraktionen geprägt sein. Jegliche beleidigenden oder diskriminierenden, insbesondere rassistischen oder sexistischen Äußerungen oder Verhaltensweisen gegenüber einem anderen Mitglied oder Dritten sollen unterlassen werden.“
AfD: „Die wollen uns mundtot machen“
Der Justiziar der AfD-Bundestagsfraktion, Stephan Brandner, hat den Anschlag auf die Debattenkultur durchschaut: „Das geht natürlich voll gegen uns!“.
In einer Pressemitteilung wirft Brandner den Ampel-Fraktionen vor, sie wollten „Ausgrenzung und Drangsalierung der Opposition“ in der Geschäftsordnung festschreiben. Die Ampel wolle die AfD-Parlamentarier „mundtot“ machen.
Der AfD-Justiziar sagt voraus: „Die Einführung horrender Ordnungsgelder wird dazu führen, dass Debatten in den Plenarsitzungen des Deutschen Bundestages gelähmt, die Teilnahme verringert und das Interesse daran weiter sinken wird.“
Die stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende Beatrix von Storch hält sogar die bereits geltenden Regeln für zu streng. Der Ampel gehe es jetzt allein darum, Äußerungen im Bundestag zu unterbinden, die SPD, „Grüne“ und FDP „nicht hören wollen“. Wohl, weil sie den täglichen Irrsinn hierzulande in polemisch zugespitzter Form auf den Punkt bringen.
Beide AfD-Politiker, Brandner und von Storch, gehören übrigens zu den fleißigsten Zwischenrufern. Die stellvertretende AfD-Fraktionschefin kassierte zuletzt ein Ordnungsgeld, weil sie „die“ Abgeordnete Tessa (alias Markus) Ganserer einen Mann genannt hatte. Was mit Blick auf den standesamtlichen Eintrag des im wortwörtlichen Sinne Mitglieds des Deutschen Bundestages durchaus zutreffen dürfte.
Übrigens: Den bis heute absoluten Rekord mit 77 Ordnungsrufen hält der legendäre SPD-Fraktionschef Herbert Wehner. „Geistiges Eintopfgericht“, warf er zu Zeiten der Bonner Republik mal einem CDU-Abgeordneten an den Kopf. Den CDU-Parlamentarier Jürgen Wohlrabe nannte er eine „Übelkrähe“.
Tja, das waren noch Zeiten! (oys)