„Dieses Deutschland ist nicht mehr das Deutschland, das unsere Großeltern und Eltern uns als Beispiel genannt haben“: Ungarns Premierminister Viktor Orbán zeigt sich im Interview mit dem ungarischen Radiosender Kossuth entsetzt über den heutigen Zustand Deutschlands, das früheren Generationen als Vorbild gegolten habe.
Deutschland sei nicht mehr dasselbe Land wie noch vor zehn Jahren, sagte Orbán, der aus Anlass der Übernahme des EU-Ratsvorsitzes durch Ungarn Berlin besucht. Einst hätte man gesagt: „Sohn, wenn du fleißige Leute sehen willst, dann geh’ nach Deutschland, wenn du gut organisierte Arbeit in Deutschland sehen willst, wenn du Ordnung sehen willst, dann geh’ dorthin, wo es Ordnung gibt.“ Das habe sich radikal geändert.
Schuld daran ist in Orbáns Augen die Migrationspolitik, die aus Deutschland „eine bunte, veränderte multikulturelle Welt“ gemacht habe, in der Migranten „nicht länger Gäste“ seien. Deutschland nehme nicht einfach nur Migranten auf; das Problem sei, dass linksgerichtete Regierungen im Schnellverfahren die Staatsbürgerschaft gewähren, Familienzusammenführung, was auch immer, Hunderttausende von Menschen“.
Die Folgen sind fatal, führt der ungarische Regierungschef aus. Die massenhaft aufgenommenen Migranten „sind also nicht als Gäste der einheimischen Deutschen hier, sondern mit eigenem Recht. Es ist jetzt auch ihr Land. Es wird sogar immer mehr zu ihrem Land“. In Deutschland sei auf diese Weise „ein spezifisches kulturelles Milieu“ entstanden.
Ausdrücklich nennt Orbán das Verhalten der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Asylkrise von 2015 als abschreckendes Beispiel. Sehr viele Fehler in der Politik, in der Außen- oder Wirtschaftspolitik zum Beispiel, könne man korrigieren; aber wenn die Politik „in der Migrationspolitik scheitert, kann man es nicht mehr rückgängig machen“.
Deshalb habe er selbst 2015 entschieden, in Ungarn keine Flüchtlinge willkommen zu heißen. Orbán appelliert an die Ungarn, an diesem Kurs festzuhalten und auch weiterhin „Nein zur Migration zu sagen, diesem Druck nicht nachzugeben, Widerstand zu leisten, unser Land als Insel des Friedens zu bewahren“.
Viktor Orbán trifft am Nachmittag mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zusammen. Ein gemeinsamer Auftritt vor der Presse ist nicht geplant. Man kann sich leicht ausmalen, warum: Der direkte Vergleich der beiden Regierungschefs wäre für den Merkel-Nachfolger einfach zu unvorteilhaft…