Deutschland feiert das 75-jährige Bestehen des Grundgesetzes. Für Ex-„Bild“-Politikchef Einar Koch haben die Feiern einen faden Beigeschmack. Für ihn ist das Grundgesetz die „Bibel der Demokratie“. Diese brauche es mehr denn je, um die Dämonen der Unfreiheit auszutreiben, meint der Autor unter Hinweis auf den Filmklassiker „Der Exorzist“.
VON EINAR KOCH*
Bibel der Demokratie
Wo er ausnahmsweise recht hat, hat er recht: „Diese Verfassung gehört zum Besten, was Deutschland hervorgebracht hat“, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Eröffnungsfeier zum 75-jährigen Bestehen unseres großartigen Grundgesetzes.
Unter Berufung auf Artikel 5 der Verfassung („Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten“), eine der wichtigsten Normen überhaupt, erlaube ich mir anzumerken: Die Worte des Staatsoberhauptes grenzen an Zynismus, weil sie ausgerechnet der Mann sagt, der eine nicht nur klammheimliche Freude darüber empfindet, dass das Grundgesetz von denjenigen, die ihm zu einer zweiten Amtszeit verholfen haben, mit Füßen getreten wird.
In diesen Tagen sollten wir uns mehr denn je daran erinnern, was die Väter des Grundgesetzes im Hinterkopf hatten, als sie vor 75 Jahren im Bonner Provisorium mit insgesamt 146 Artikeln das Gründungsversprechen der Bundesrepublik Deutschland formulierten. Es sollten nach den Erfahrungen der Nazi-Diktatur Rechte sein vor allem, die den Bürger vor einem allmächtigen und übergriffigen Staat schützen.
Erinnern Sie sich an den Filmklassiker „Der Exorzist“ von 1973? Was bei der rituellen Satansaustreibung die Heilige Schrift ist, ist in der Politik das Grundgesetz: Es ist die Bibel der Demokratie, um die Dämonen von Bevormundung und Unfreiheit auszutreiben! Deshalb sollten wir das Grundgesetz, bildlich gesprochen, stets schützend vor unserer Brust tragen.
Die Fürstin der Finsternis begegnet uns zu allererst in Gestalt der linksextremen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die allen, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung in Anspruch nehmen, mit einem „starken Staat“ droht. Der Dämon der Gesinnungsdiktatur ist auch in uns gefahren in Gestalt der Bundesfamilienministerin Lisa Paus („Grüne“), die sich unter dem Vorwand, „Hass im Netz“ bekämpfen zu wollen, offen über Artikel 5 der Verfassung hinwegsetzt. Und der Leibhaftige quält uns in Gestalt des unsäglichen Verfassungsschutz-Präsidenten Thomas Haldenwang (CDU), der selbst längst ein Fall für den Verfassungsschutz geworden ist.
Kleine Notiz am Rande: Bei den Feierlichkeiten zum 75-jährigen Bestehen des Grundgesetzes gibt es ein „Insektenbuffet“. Heuschrecken fürs Volk – auch wenn es nur eine Nebensächlichkeit sein mag, so zeigt sich an dieser Würdelosigkeit doch allein schon, welchen Stellenwert das Grundgesetz heute bei denjenigen genießt, die die Feiern zum 75. Jahrestag ausrichten.
*Einar Koch, Jahrgang 1951, war von 1992 bis 2003 Leiter der Parlamentsredaktion der „Bild“-Zeitung in Bonn und Berlin, Politik-Chef des Blattes und zuletzt Politischer Chefkorrespondent.