Über zwanzig Monate nach dem Beginn der russischen Militäroperation in der Ukraine finden sich auch im deutschen Medien-Mainstream vermehrt kritische und differenziertere Stimmen. Die Hurra-Trompeten der ersten Kriegsmonate, die den ukrainischen Präsidenten Selenskij zum „Verteidiger westlicher Werte“ gegen ein zum Inbegriff des Bösen dämonisiertes Russland stilisierten, sind leiser geworden.
Wo bislang beinahe täglich der demnächst bevorstehende „Sieg“ der Ukraine beschworen worden war, berichtet selbst die „Tagesschau“ jetzt von einer „schwierigen Lage“ und „Ernüchterung“ unter den ausgebrannten ukrainischen Truppen zu berichten, und die „Bild“-Zeitung vermeldet „Riesen-Probleme in der Ukraine-Armee“ und weiß von „Wut“ der Soldaten, massiven Führungs- und Versorgungsschwächen, während die russische Armee wieder auf dem Vormarsch ist.
Springer-Presse im Kriegswochenschau-Modus
Solche Ehrlichkeit ist gerade für „Bild“-Verhältnisse ungewöhnlich. Das Springer-Boulevardblatt hatte seit Kriegsausbruch eine Tonlage angeschlagen, die eher an deutsche Kriegswochenschauen während des Russlandfeldzugs erinnerte. Da wurden die ukrainischen Kämpfer und ihre politischen und militärischen Anführer heroisiert, wieder und wieder der baldige Zusammenbruch Russlands und seiner Streitkräfte heraufbeschworen und hämisch über deren angeblich miserable Moral hergezogen.
Kriegstreiber wie die FDP-Rüstungslobbyistin Marie-Agnes Strack-Zimmermann oder der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter finden in dem „Springer“-Kampfblatt jederzeit breiten Raum, um Stimmung und politischen Druck für bedingungslose Unterstützung der Ukraine und unbegrenzte Waffenlieferungen an die Kiewer Führung zu machen.
Das einförmige Medienbild, für das die Zeitungen des Springer-Konzerns herausragend stehen, das aber von praktisch allen etablierten Medien, von den Zwangsgebührensendern ARD, ZDF und DLF und insbesondere von regierungsfrommen Blättern wie „Tagesspiegel“, „Süddeutsche Zeitung“ und dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ geteilt wird, ist denkbar schlicht:
Schlichtes Medienbild
Russland sei der „Aggressor“ und Alleinschuldige an dem Krieg, Kiew verteidige nicht nur sich selbst, sondern „westliche Werte“. Deshalb müsse Russland eine Niederlage erleiden, und die Ukraine müsse „gewinnen“, wofür man ihr zwar alle Mittel an Geld und Waffen ohne Zögern und Murren zur Verfügung stellen müsse, aber Kiew allein entscheiden dürfe, wann der Zeitpunkt für eine Beendigung des Krieges gekommen sei: Nämlich wenn Russland zum Rückzug aus allen Gebieten, auch aus den Volksrepubliken im Donbass und der Krim gezwungen worden sei.
Das entspricht im wesentlichen der Propagandalinie des ukrainischen Präsidenten Zelenskij und seiner Entourage, die sich die meisten westlichen Regierungen in Gefolgschaftstreue zu den USA zu eigen gemacht haben; auch die deutsche Regierung ist bekanntlich rasch und besonders gründlich auf diese Linie eingeschwenkt.
Schreibtischstrategen und Kriegspropagandisten
Für Zwischentöne und Differenzierungen ist da kaum noch Raum. Zögert der Kanzler, vielleicht in berechtigter Sorge um eine mögliche unkontrollierbare Eskalation, bekommt er Druck nicht nur von den „grünen“ Kriegstreibern und den Scharfmachern in der politischen Klasse, sondern erst recht von den Schreibtischstrategen und Kriegspropagandisten in den Redaktionen und Sendestudios.
Bei Deutschlands leicht legasthenischer und auch sonst überforderter Außenministerin Annalena Baerbock mag es undiplomatische Torheit oder unbedachtes Offenbaren der eigentlichen Gesinnung gewesen sein, als ihr im Januar 2023 vor dem Europarat in Straßburg der Satz entschlüpfte, „wir“ seien schließlich „im Krieg mit Russland“.
Große Teile der deutschen Medien haben sich tatsächlich über weite Strecken so verhalten, als sei Deutschland Kriegspartei und als müssten sie in Nibelungentreue zur politischen Führung dem propagandistischen Kampf gegen den „Feind“ Russland den Vorrang geben vor journalistischer Professionalität, Unabhängigkeit und Wahrheitssuche. Ihr Maskottchen ist „Bild“-Korrespondent Paul Ronzheimer, der mit Trauerblick und etwas zu großem Helm als omnipräsenter Kriegsreporter und Dauergast in den Privaträumen Selenskijs gar keinen Hehl mehr aus seiner fehlenden Distanz zum Gegenstand seiner „Berichterstattung“ macht.
Medien als Regierungslautsprecher
Ronzheimer ist inzwischen nach Nahost zum Gaza-Krieg weitergezogen, die deutsche Medienfront aber steht vorläufig noch. Bereits während der Corona-„Pandemie“ hat sich der deutsche Medien-Mainstream praktisch widerstandslos zum Transmissionsriemen und Lautsprecher offiziell vorgegebener Kommunikationslinien gemacht. Diese „Haltung“ hat sich reibungslos auf den Tenor der Ukraine-Berichterstattung übertragen.
Dass Journalisten HInterfrager und kritische Überprüfer und Infragegsteller der Mächtigen, ihrer Handlungen und Propaganda sein sollen, ist weitgehend verschüttet, wenn es um den Ukraine-Krieg geht. Mitteilungen ukrainischer Militär- und Regierungsquellen, deutsche und US-amerikanische Politikerverlautbarungen oder britische Geheimdienstnachrichten werden wie Fakten ohne weiteres Nachfragen transportiert und allenfalls mit dem verschämten Hinweis „lässt sich nicht unabhängig überprüfen“ versehen.
Freiwillige Selbstgleichschaltung
Als ob man sich darum ernsthaft bemühte; russische Angaben werden grundsätzlich in Zweifel gezogen, russische Quellen, Analysen und Medien ernsthaft zu zitieren oder gar russische Akteure aus Politik, Militär oder Wissenschaft direkt zu befragen gilt als unfein, wenn es sich nicht um erklärte Regierungsgegner oder Emigranten handelt. Spitzenpolitiker, die wie Außenministerin Baerbock ihre diplomatische Arbeit und das Gespräch mit ihrem russischen Gegenüber verweigern, lassen sich dafür in manchen Medien auch noch feiern.
Folge dieser freiwilligen Selbstgleichschaltung ist eine schablonenhafte Gleichförmigkeit, Verengung und Einseitigkeit der Berichterstattung über den ukrainisch-russischen Konflikt in den deutschen Hauptmedien. Vorgeschichte, Hintergründe und der Anteil westlicher und amerikanischer Politik an der Eskalation des Konflikts finden kaum noch statt.
Was nicht ins Bild passt – die verbreitete Korruption in der ukrainischen Führungsschicht, die dubiose Rolle nationalistischer, rechtsextremistischer und NS-nostalgischer Kräfte in der ukrainischen Politik, die systematische Unterdrückung der Opposition und der russischsprachigen Bevölkerung – wird weitgehend ausgeblendet und findet nur am Rande statt, obwohl auch etablierte Leitmedien vor dem Beginn der russischen Militäroperation darüber durchaus ernsthaft und ausführlich berichtet haben.
Diffamierung oppositioneller Positionen
Das Schwarz-Weiß-Denken der politischen Klasse spiegelt sich in den etablierten Medien. Beide diffamieren Oppositionskräfte, die den Sinn, Nutzen und Kosten der Waffenlieferungen an die Ukraine in Frage stellen, den verheerenden volkswirtschaftlichen Schaden der Russland-Sanktionen von EU und USA insbesondere für Deutschland thematisieren, sich gegen die Aufnahme der korrupten, bankrotten und kriegführenden Ukraine in EU und Nato stellen, eine Vermittlerposition Deutschlands anmahnen und auf die Öffnung diplomatischer Kanäle zur Suche nach einer Friedenslösung auf dem Verhandlungswege dringen oder Aufklärung über den staatsterroristischen Anschlag auf die „Nord Stream“-Erdgasleitungen in der Ostsee verlangen und für eine Wiederaufnahme von Rohstofflieferungen aus Russland dringen.
Wer solcherart aus der Reihe tanzt, ist „Russlandfreund“ – als Schimpfwort gemeint –, „Putin-Troll“ und Schlimmeres; die „Volksverräter“- und „Wehrkraftzersetzer“-Rhetorik früherer finsterer Zeiten ist da nicht weit weg. Die Diffamierung trifft inländische Oppositionspolitiker, namentlich von der immer einflussreicher werdenden Alternative für Deutschland (AfD) ebenso wie ausländische Staatsmänner; der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán ist Hassfigur für etablierte Politik und Medien gleichermaßen.
Ausgrenzung abweichender Stimmen
Die vorgegebene antirussische Stimmung ist ein willkommener Vorwand, Oppositionspolitiker namentlich von der AfD mit ihren abweichenden Positionen erst recht nicht zu TV-Auftritten und Fernseh-Gesprächsrunden einzuladen. Dort sitzen die immer gleichen Gesichter, die entweder die Regierungslinie vertreten oder deren Verschärfung wünschen.
Sofern externe Stimmen, Fachleute und „Experten“ zu Wort kommen, vertreten auch diese nur eine Richtung. Der scharfmacherische ukrainische Botschafter Andrij Melnyk war bis zu seiner Ablösung trotz seiner übergriffigen Attacken auf Deutschland und seine Repräsentanten umworbener Dauergast in deutschen Medien.
Dubiose „Experten“
Werden „Militärexperten“ gesucht, kommen mit schöner Regelmäßigkeit Kriegstreiber wie der Dozent an der Münchner Bundeswehr-Universität Carlo Masala oder der „Militärökonom“ Marcus Keupp zu Wort, obwohl diese mit ihren Lagebeurteilungen regelmäßig katastrophal danebenliegen.
Masala phantasierte vor wenigen Wochen zur Aufrechterhaltung der Kriegsmoral deutscher Schreibtischstrategen von einem drohenden Angriff Russlands auf das Baltikum; selbst die unübersehbare Tatsache, dass die Ukraine sich offenslichtlich den Kriegsverlauf „schönredet“, dient ihm als Anlass, weitere Waffenlieferungen zu fordern. Keupp, der bereits unzählige Male den baldigen Zusammenbruch Russlands vorhergesagt hatte, dichtet sogar das offenkundige Scheitern der ukrainischen „Gegenoffensive“ zur Erfolgsgeschichte um: die Ukraine zwinge die russische Armee in Abnutzung, behauptete er vor wenigen Tagen im Bayerischen Rundfunk.
Ukrainische und russische Kollegen im Stich gelassen
Dass deutsche Medien die Bundesregierung mit der Nicht-Aufklärung der „Nord Stream“-Sprengung und den wechselweise angebotenen und von ausländischen Diensten zugelieferten absurden Pseudo-Erklärungen davonkommen lassen, ist ein eklatantes Medienversagen. Statt die Vorlagen mutiger ausländischer Kollegen wie des amerikanischen Pulitzer-Preisträgers Seymour Hersh aufzugreifen, der in einer aufsehenerregenden Recherche die Geheimdienste der USA und Norwegens für dne Anschlag verantwortlich machte, beteiligten sich deutsche Medien auch noch an der Diskreditierung dieses eben noch gefeierten Kollegen.
Im Stich gelassen haben deutsche Journalisten aber auch ihre ukrainischen und russischen Kollegen. Zwar empört man sich groß über die Arbeitsbedingungen für Journalisten in Russland. Die faktische Gleichschaltung der ukrainischen Medien durch den Kriegspräsidenten Selenskij, der Oppositionsmedien verbietet und die vorher schon nicht freien Fernsehsender in einem Einheitsprogramm namens „Telemarathon“ zusammenfasste und unter staatliche Kontrolle stellte, ist hierzulande kaum ein Thema, während beispielsweise das schweizerische Fernsehen darüber ausführlich berichtet.
Nicht minder skandalös ist das weitgehende Schweigen deutscher Medien zur Behinderung der Arbeit ihrer russischen Kollegen in Deutschland, die geächtet, aus Gremien ausgeschlossen und von Verbreitungsplattformen verbannt werden. Unter dem Vorwand, staatlicherseits „Propaganda“ und „Fake News“ zu bekämpfen, wird damit ein Kriegszustand faktisch exekutiert, der angeblich doch gar nicht bestehen soll.
Risse in der Einheitsfront
Auf Dauer lässt sich eine solche Linie natürlich nicht durchhalten. Tatsächlich zeigen sich Risse in der Einheitsfront. Schon vor einem halben Jahr prangerte der streitbare pensionierte Richter Thomas Fischer ausgerechnet im „Spiegel“ den Verrat an journalistischen Prinzipien und die Fortführung des „eingebetteten“ Journalismus aus dem Irak-Krieg in der medialen Behandlung des Ukraine-Konflikts an. Der Kommentar wurde zwar prompt durch einen Gegenkommentar „eingeordnet“, aber es war dennoch ausgesprochen: Journalismus hat sich nicht allein an der Perspektive der „Betroffenen“, auszurichten und Glaubensbekenntnisse zu reproduzieren.
Es gebe auch „keine empirische oder moralische Regel, wonach für die publizistische Bearbeitung eines militärischen Konflikts bevorzugt oder ausschließlich Personen als sachkundig anzusehen seien, die sich mit einer der Konfliktparteien identifizieren“. Und: „Die einfallslos-repetitive Parteilichkeit der deutschen Publizistik in der Frage des Ukrainekonflikts ist überaus langweilig und widerspricht journalistischen Prinzipien und Freiheiten, auf die wir zu Recht stolz sein und die wir deshalb auch praktisch verteidigen sollten.“
Einbruch der Realität
Auffällig ist, dass in den letzten Monaten auch realistischere Einschätzungen des Kriegsverlaufs zu Wort kommen wie die des österreichischen Obersten Markus Reisner von der Wiener Militärakademie „Theresianum“, der zur Absicherung zwar immer wieder Sympathien für die ukrainische Seite durchblicken lässt, aber bei seinen Analysen fachlich und sachkundig vorgeht. Die „Berliner Zeitung“ berichtete mehrfach ausführlich über die Sabotage der ukrainisch-russischen Waffenstillstandsverhandlungen vom Frühjahr 2022 durch den damaligen britischen Premier Boris Johnson und berief sich dabei auch auf Zeitzeugen wie den deutschen Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder. Und auch die „Bild“-Zeitung überraschte wieder einmal mit einem Bericht über mögliche Absichten der USA und Deutschlands als Hauptsponsoren, den ukrainischen Präsidenten zur Aufnahme von Friedensverhandlungen zu bewegen
Fraglos spielt dabei eine Rolle, dass nach fast zwei Jahren Krieg die tatsächliche Lage und das Scheitern westlicher Illusionen und Propagandaformeln nicht mehr zu übersehen ist. In den USA dreht sich angesichts des bevorstehenden Wahlkampfs schon länger der Wind; eine dauerhafte Versenkung von Milliardenhilfen im ukrainischen Fass ohne Boden ist in der Bevölkerung zunehmend unpopulär.
Freie und alternative Medien als Gegengewicht
Vor allem aber haben freie und alternative Medien in Deutschland dafür gesorgt, dass auch vom polit-medialen Mainstream abweichende Positionen zur militärischen Auseinandersetzung in der Ukraine unüberhörbar Raum und Reichweite bekommen. Anders als die Etablierten suggerieren, ist kompromisslose Unterstützung der Ukraine und Feindschaft zu Russland bei den Deutschen keineswegs unwidersprochene und allgemeine Mehrheitsmeinung.
Die Gegenöffentlichkeit aus alternativen Medien und sozialen Netzwerken hat sich trotz wachsender staatlicher und überstaatlicher Zensurversuche gerade im Umgang mit dem Ukraine-Konflikt als notwendiges und wirksames demokratisches Korrektiv zu offiziellen Kanälen und ihrer unübersehbaren Tendenz zu Konformismus, propagandistischer Vereinheitlichung und Selbstgleichschaltung erwiesen.