Vielleicht sollte die EU doch besser gleich in Washington um die Aufnahme als 51.Bundesstaat der USA nachsuchen: Die Brüsseler Kommission unter der als künftige Nato-Generalsekretärin gehandelten Ursula von der Leyen (CDU) will allen Ernstes eine amerikanische Wirtschaftswissenschaftlerin als Chefökonomin engagieren! Fiona Scott Morton (56) diente einst in der Obama-Administration und beriet u.a. den Pharma-Giganten Pfizer, der wegen Manipulationen von Studien bei der Zulassung seines Corona-Impfstoffes in der Kritik steht.
Die US-Ökonomin soll jetzt für drei Jahre in leitender Position in das Kabinett der dänischen EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager eintreten. Ihre Aufgabe: Scott Morton soll dabei helfen, die Marktmacht der US-Großkonzerne zu beschneiden. Politische Beobachter in Brüssel befürchten: Da wird der Bock zum Gärtner gemacht! Denn die Ökonomin, die derzeit an der Yale-Universitär lehrt, hat nicht schlecht mit der Beratung eben dieser Konzerne verdient (u.a. auch Apple, Amazon).
Kritik wegen möglicher Interessenkonflikte
Gegen die Personalie regt sich denn auch zunehmend Widerstand: eine US-Amerikanerin für die EU-Kommission – warum? Das fragt man sich nicht nur in Paris.
Schon im Vorfeld von Scott Mortons Ernennung waren kritische Stimmen laut geworden. Mehrere Non-Profit-Organisationen äußerten Bedenken und wandten sich in einem gemeinsamen Schreiben an EU-Kartellamtschefin Vestager. Scott Morton habe „eine Vielzahl großer Unternehmen beraten, darunter Apple, Amazon, Microsoft, Sanofi und Pfizer“, heißt es in dem siebenseitigen Schreiben, das im Internet veröffentlicht wurde . „Wir (…) befürchten, dass die Nähe von Prof. Scott Morton zu Big-Tech-Firmen ihre Fähigkeit beeinträchtigen wird, das EU-Wettbewerbsrecht neutral und wirksam gegen diese Unternehmen durchzusetzen.“
Konkret zitierten die Beschwerdeführer die Ökonomin beispielsweise mit einer Einschätzung, die aus der Zeit ihrer Beratertätigkeit für Apple und Amazon stammen soll. Scott Morton habe gesagt, dass beide Unternehmen nicht gegen das Gesetz verstießen. „Diese Aussage greift de facto dem Ergebnis einer laufenden Untersuchung gegen diese beiden Unternehmen vor“, heißt es in dem Schreiben.
Auch die Tatsache, dass Scott Morton nicht Bürgerin eines EU-Mitgliedsstaates ist, wird kritisiert. Dabei verweisen die Non-Profit-Organisationen auf einen Passus in den EU-Regularien, der dies eigentlich zur Voraussetzung macht. Und: Die Ansichten der US-Ökonomin zum Wettbewerbs- und Kartellrecht finden ebenfalls wenig Anklang. Scott Morton verfolge einen überholten Ansatz, der weltweit immer mehr in Vergessenheit gerate, so die Kritiker.
Aufstand im EU-Parlament
Unterdessen fordern auch die Vorsitzenden von vier Parlamentsfraktionen im Europa-Parlament, darunter EVP-Chef Manfred Weber (CSU), die Rücknahme der Personalentscheidung. Es sei unverständlich, eine Nicht-EU-Bürgerin auf einen derart strategisch wichtigen Posten zu berufen. Schließlich müsse die EU für eine „unabhängige Industriepolitik“ und die „digitale Souveränität unseres Kontinents“ sorgen, heißt es laut Medienberichten in einem Brief an Vestager.