Mit der Drehgeschwindigkeit, in der CSU-Chef Markus Söder seine Positionen wechselt und sich in den Zeitgeistwind dreht, könnte man eine Kraftwerksturbine antreiben. Verlass ist bei ihm nur auf eines: Dass man sich auf seine Worte nicht verlassen kann. Dass er dabei auch noch vollkommen schambefreit vorgeht, hat er mit seinem neuesten Coup demonstriert: Der Verleihung des Bayerischen Verdienstordens an Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Ausgerechnet Merkel. Und ausgerechnet der Bayerische Verdienstorden. Der ist nicht irgendeine Auszeichnung, nicht bloß ein wohlfeiles Jubelblech, das man allen möglichen Leuten aus Gefälligkeit umhängt. Die Zahl der Ordensträger ist auf zweitausend lebende Persönlichkeiten beschränkt, herausragende Persönlichkeiten, die sich um den Freistaat und das bayerische Volk besonders verdient gemacht haben. Seit seiner Stiftung 1957 wurde er bis heute nur rund fünftausend Mal verliehen.
Zugegeben, die Auszeichnung ist auch nicht mehr, was sie mal war. Spätestens Söders Vorgänger Horst Seehofer die weiß-blaue Edeltrophäe der „grünen“ Schreckschraube aus Augsburg, Claudia Roth, zugeschanzt hat, sind schon einige tiefe Kratzer im Ordenslack. Aber dem Söder-Maggus geht es ja auch nicht um Merkel oder um Persönlichkeit und Verdienste anderer, es geht ihm immer nur um sich selbst.
Seine Rechnung ist einfach. Erst hat im April der Steinmeier, die alte linksradikale Büroklammer, der als Merkels Vizekanzler noch mal steil Karriere gemacht hat, seiner Gönnerin den höchsten deutschen Orden umgehängt, die Sonderstufe des Großkreuzes des Bundesverdienstkreuzes, die bisher überhaupt nur Konrad Adenauer und Helmut Kohl erhalten hatten.
Dann kommt im Mai NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst hinterher, der Anführer der auf „Grün“ getrimmten CDU-Merkelianer, und verleiht der pensionierten Deutschlandabschafferin den NRW-Staatspreis. Da kann ein Söder nicht einfach abseits stehen.
Da die beiden Brüder im Geiste sind, hat Söder den Kollegen aus dem prekären Westen natürlich sofort durchschaut: Dem geht es auch nicht um Merkel; Wüst wollte dem gescheiterten Parteichef Friedrich Merz eins auswischen, der in der AfD-Falle festsitzt, und der Rest-CDU signalisieren, er sei nun mal der bessere schwarz-„grüne“ Kanzlerkandidat.
Und das kann ein Markus Söder nicht auf sich sitzen lassen. Denn wenn man ihn fragt, gibt es nur einen richtig guten Unions-Kanzlerkandidaten. Und der heißt: Markus Söder, auch wenn er noch so oft in der Öffentlichkeit grinsend behauptet, dass es ihm in Bayern viel besser gefalle und er an der Kanzlerschaft gar nicht interessiert sei. Das sagt er auch erst wieder seit 2021, als er unbedingt selbst Kanzlerkandidat werden wollte. Wenn ihn bloß nicht auf den letzten Metern ausgerechnet der Armin Laschet aus NRW ausgestochen hätte, der die Wahl dann selber auch noch versemmelt hat.
Aber wer glaubt schon, was ein Söder so tagein, tagaus erzählt. Der Mann wechselt seine politischen Positionen ja häufiger als manch anderer seine Unterwäsche. So wie während der Corona-Hysterie. Da gab Söder erst den Super-Hardliner, der von der bevorstehenden „Apokalypse“ orakelte und bei jeder Gelegenheit versuchte, die Kanzlerin Merkel bei der Bekämpfung der Fake-„Pandemie“ noch zu übertreffen. Es ging ja schließlich schon um ihre Nachfolge, und Söder hatte sich ausgerechnet, der härteste Hund hätte auch die besten Chancen.
„Team Vorsicht“, alles dichtmachen, Ausgangssperren, das ganze Programm, die Leute in Dauerpanik versetzen, selbst wer bloß auf der Parkbank sitzen und ein Buch lesen wollte, wurde von Söders Polizei gnadenlos verfolgt. Im Juli 2021 war er noch gegen ein Impflicht, wegen Grundrechtseingriff und so, ein paar Monate später trommelte am lautesten dafür: „Impfen ist der Weg zur Freiheit“, und wer sich immer noch weigerte, sollte die Knute eines „Lockdowns“ nur für „Ungeimpfte“ zu spüren bekommen.
Dann aber merkte Söder, dass die braven deutschen Untertanen doch allmählich die Nase voll haben von der ganzen Hysterie und der Panik-Dauerbeschallung durch den Impf-Clown Lauterbach, der langsam aber sicher zur Witzfigur wurde. Also: wieder umschalten. So sehr er es genossen hatte, in obskuren Ministerpräsidentenkonferenzen das große Wort zu führen und das Volk an Verfassung und Parlamenten vorbei zu kujonieren, jetzt gab Söder auf einmal den Vorreiter für Bürgerrechte und Lockerungen und redete wieder viel von „Freiheit“.
Bei der Kernkraft dasselbe Spiel. Das Industrieland Bayern ist auf günstigen und verfügbaren Strom aus Kernkraftwerken angewiesen, das weiß auch Markus Söder und war im Grunde immer dafür. Bis Kanzlerin Merkel 2011 über Nacht den Hau-Ruck-Atomausstieg beschloss, wegen einer Kraftwerkshaverie am anderen Ende der Welt, um den „Grünen“ als Super-„Grüne“ den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Da musste Markus Söder, damals bayerischer Umweltminister, natürlich noch eins drauflegen und verkündete: Bayern zieht den Atomausstieg sogar schon bis 2020 durch, zwei Jahre früher als von Merkel für ganz Deutschland anvisiert. Von da ab feierte sich die CSU als die Partei, die die Kraftwerke noch schneller abschaltet, als die „Grünen“ das vorgehabt hatten.
Bis es letztes Jahr dann ernst wurde und die Stimmung bei den Bürgern kippte, weil das Abschalten zuverlässiger Stromlieferanten mitten in einer Energiekrise nun mal eine dumme Idee ist. Söder hängte sein Mäntelchen in den neuen Wind, schimpfte auf die „grünen“ Ideologen, die er eben noch übertrumpfen wollte, und forderte – freilich folgenlos – den Weiterbetrieb der bayerischen Kernkraftwerke im Länder-Eigenbetrieb.
Überhaupt, die „Grünen“. Als Halbstarker hatte Markus Söder noch ein Poster des „Grünen“-Fressers Franz Josef Strauß im Zimmer. Als Karrierepolitiker gab er dagegen gern den „Progressiven“, um schneller aufzusteigen, und schwadronierte über den „großen Reiz“ von Schwarz-„Grün“. Das wäre auch sein Ticket ins Kanzleramt, denn das Format, sich wie Franz Josef Strauß mit den „Grünen“ frontal anzulegen, hat der „Maggus“ nun mal nicht. Und gegen die einzige Partei, die den „Grünen“ konsequent Kontra gibt und mit der eine Politikwende möglich wäre, gegen die AfD nämlich, hetzt Markus Söder unflätig im primitivsten „Grünen“- und „Antifa“-Jargon.
Also schwenkt er weiter fleißig Regenbogenfahnen, hält Regierungserklärungen zum „Klimaland Bayern“ und forderte noch vor zwei Jahren eine „Solarpflicht“ bis 2023 und einen vorgezogenen Kohleausstieg bis 2030. Aber weil sich die Stimmung im Volk inzwischen gegen die „Grünen“ und ihre Zumutungen dreht, will Söder auch da ganz vorn dabei sein und schimpft auf Habecks Heizungsverbot.
Aber da hat Wendehals Söder wohl eine Kehrtwendung zu viel gemacht. Das nehmen ihm die Bayern langsam aber sicher nicht mehr ab. Auf der Großdemo gegen das Heizungsverbot in Erding, bei der sich Söder als Redner aufgedrängt hatte, wurde er kräftig ausgepfiffen. So langsam dämmert es auch den Gutgläubigen: Den „grünen“ Irrsinn stoppen – das geht nur ohne Söder.