Die „Erinnerungslücken“ von Kanzler Olaf Scholz (SPD) im Hamburger Bankenskandal („Cum-Ex-Affäre“) halten inzwischen selbst die Mainstream-Medien für nicht mehr glaubwürdig. Unterdessen bringen Tagebucheinträge von Warburg Bank-Chef Christian Olearius Scholz noch schwerer in Bedrängnis.
Zum bizarren Auftritt des Kanzlers vor dem Untersuchungsausschuss schreibt die „NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG“: „Olaf Scholz hat sich auch in seinem zweiten Auftritt vor dem Hamburger Cum-Ex-Untersuchungsausschuss auf Erinnerungslücken zurückgezogen, wann immer es spannend wurde. Dass der Mann mit dem Elefantengedächtnis ausgerechnet die Gesprächsinhalte zum heiklen Warburg-Steuerfall restlos vergessen haben will, ist unglaubwürdig bis hin zur Absurdität.“
Der „FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG“ schwant, dass der Kanzler die Diskussion über seine Rolle im Bankenskandal aussitzen will, sieht aber dennoch Risiken mit Blick auf die Glaubwürdigkeit des Regierungschefs: „Am Ende wird Scholz diese Affäre selbst wohl kaum gefährlich werden. Aber es bleibt die Diskussion, wie glaubhaft solche Erinnerungslücken sind. Und wenn die Glaubwürdigkeit einmal infrage steht, wird es gefährlich.“
Die „LANDSHUTER ZEITUNG“ sieht es ähnlich: „Doch allein die Tatsache, dass der Kanzler sich gegen den Verdacht wehren muss, dass in seinem Umfeld ermittelt wird, ist Gift für die Glaubwürdigkeit des Regierungschefs. Und das ist besonders in diesen Krisenzeiten ein Problem.“
Scholz sei zwar kein Fehlverhalten nachzuweisen, merkt die „BADISCHE ZEITUNG“ an. Das in Freiburg erscheinende Regionalblatt konstatiert aber: „Wenn es um die wichtige politische Währung Vertrauen geht, dann ist Scholz damit nicht aus dem Schneider. Wer sich als Zeuge derart häufig nicht erinnern kann, darf sich nicht wundern, wenn er nicht jeden überzeugt und Zweifel bleiben. Die aber verstärken nun den Eindruck, dass der Kanzler angeschlagen ist.“
Die „PFORZHEIMER ZEITUNG“ stellt folgende Betrachtung in den Vordergrund: „Wenn scheibchenweise Wahrheiten ans Licht gelangen sollten, die Scholz bislang verschweigt, dann wird es eng für den Kanzler.“
Brisante Tagebuch-Notizen
Tatsächlich kommen „scheibchenweise“ neue Details ans Licht. Jetzt aufgetauchte Tagebuch-Aufzeichnungen des Chefs der Warburg Bank belasten den Genossen Scholz erneut schwer. Sie verstärken den Verdacht, der damalige Erste Bürgermeister von Hamburg könnte Einfluss darauf genommen haben, dass die Finanzbehörde der Hansestadt auf die Rückzahlung von 47 Millionen Euro Steuergeldern verzichtete, die im Zuge illegaler Aktiengeschäfte an das Geldinstitut geflossen waren.
Die „Bild“-Zeitung zitiert ausführlich aus Tagebucheinträgen von Warburg-Chef Christian Olearius. Vermutet werden darf, dass die Aufzeichnungen aus Akten der Kölner Staatsanwaltschaft stammen, die in dem Fall ermittelt. Olearius schildert darin seine Gespräche mit Scholz sowie dessen Vertrauten, dem früheren Hamburger SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs und der „grauen Eminenz“ der Elb-Genossen, dem ehemaligen Hamburger SPD-Innensenator Alfons Pawelczyk (89).
Zur Erinnerung: In einem Bankschließfach des Genossen Kahrs, der sich unermüdlich für die Warburg Bank eingesetzt hatte, fanden die Ermittler rund 200.000 Euro unklarer Herkunft. Ein Schelm, der „Sch“ wie „Schmiergeld“ dabei denken könnte…
„Ich habe Dampf gemacht…Scholz geht der Sache jetzt nach“
Der Banker hatte sich mehrfach mit den SPD-Politikern getroffen, um die Millionen-Rückforderung abzuwenden, die seiner Bank drohte, nachdem die Steuerbetrugs-Geschäfte aufgeflogen waren. Laut eines Eintrags vom 3. Oktober 2016 soll Pawelczyk vorgeschlagen haben, dass „Sch. (gemeint ist wohl Scholz, die Red.) die Sache in die Hand nimmt“. Olearius schreibt: „Ich habe Dampf gemacht und die drohenden Gefahren geschildert.“ Schon einen Tag später schreibt der Banker, Scholz gehe „der Sache“ jetzt nach.
Am 26. Oktober 2016 haben die Chefs der Bank dann einen offiziellen Termin im Rathaus. Vorher soll Kahrs zugesagt haben, er wolle noch einmal mit Scholz sprechen. Wie heikel das Gespräch war und dass es Scholz nicht explizit ablehnte, sich für die Bank einzusetzen, legt ein weiterer Tagebucheintrag von Olearius nahe: Er, Scholz, „ fragt, hört zu, äußert keine Meinung, lässt nichts durchblicken, was er denkt und ob und wie er zu handeln gedenkt. Ich verstehe das, will ja auch nicht drängen und ihn in irgendeiner Weise kompromittieren.“
Die Erfolgsmeldung
Am 8. und 9. November 2016 versucht Scholz dann offenbar, den Bankchef anzurufen, erreicht ihn aber nicht. Dies ärgert Olearius, der nach eigenen Worten „voller Spannung“ ist. Scholz lässt wissen: Olearius solle sich an Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD), dem heutigen Ersten Bürgermeister wenden. Der Banker tut wie ihm geheißen wurde: „Ich frage nichts, danke und lasse das Schreiben H. Tschentscher überbringen.“
Nur acht Tage danach, am 17. November, kommt für das Bankhaus die erlösende Nachricht: Die zuständige Finanzbeamtin erlässt der Bank die Rückzahlung von 47 Millionen Euro Steuergeldern!