Wenn man der Gas-Krise zwei gute Seiten abgewinnen wollte, dann am ehesten wohl diese: Sie macht schlagartig das Scheitern des deutschen Sonderweges in der Energiepolitik (Windrad-Irrsinn) deutlich. Sie entlarvt alle Sonntagsreden über europäische Solidarität, die ohnehin nur auf dem Papier steht, als hohles Geschwätz. Im Zweifel gilt das Motto: Jeder ist sich in Europa selbst der nächste!
Unter dem Druck der Ankündigung Russlands, die Gaslieferungen über die Ostseepipeline Nord Stream 1 weiter zu reduzieren, haben sich die EU-Staaten doch noch in letzter Minute auf einen Gas-„Notfallplan“ geeinigt. Bei einem Sondertreffen der Energieminister in Brüssel erreichte ein Kompromissvorschlag, der allerdings so löchrig ist wie ein Schweizer Käse, die nötige Mehrheit.
Wie die tschechische EU-Ratspräsidentschaft bestätigte, haben die für Energiefragen zuständigen Minister „eine politische Einigung zur Reduzierung der Gasnachfrage erzielt“. Der „Notfallplan“ solle Risiken reduzieren, die sich aus einer vollständigen Unterbrechung russischer Gaslieferungen ergeben könnten.
Die Bereitschaft der meisten Mitgliedsstaaten, Deutschland als größtem Nettozahler in der schwersten Wirtschaftskrise seit 1945 mit Gaslieferungen zu helfen und einen Zusammenbruch der deutschen Volkswirtschaft zu verhindern, hält sich allerdings in engen Grenzen.
Wie Diplomaten der dpa bestätigten, sieht der „Notfallplan“ vor, den Gas-Verbrauch in den 27 Mitgliedsstaaten im Zeitraum vom 1. August 2022 bis zum 31. März 2023 „freiwillig“ um 15 Prozent zu senken. Zudem soll die Möglichkeit geschaffen werden, bei weitreichenden Versorgungsengpässen einen „Unionsalarm“ auszulösen und verbindliche nationale Einsparziele vorzugeben.
Krachende Niederlage für von der Leyen
Im Vergleich zum ersten Entwurf der EU-Kommission sind dafür allerdings deutlich mehr Ausnahmemöglichkeiten vorgesehen und auch die Hürden für die Einführung von verbindlichen Einsparzielen wurden erhöht. Letztere soll nur vom Rat der Mitgliedstaaten und nicht von der EU-Kommission durchgesetzt werden können.
Konkret bedeutet dies, dass ein Kommissionsvorschlag für verbindliche Einsparziele die Zustimmung einer Gruppe von 15 der 27 EU-Länder braucht. Zudem müssten diese zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der Union ausmachen. Dass dieses Quorum bei einer sich weiter zuspitzenden Versorgungslage je erreicht werden könnte, halten politische Beobachter in Brüssel für unrealistisch.
Weitere Ausnahmeregelungen sollen zum Beispiel garantieren, dass Länder wie Zypern, Malta und Irland nicht zum Gassparen verpflichtet werden sollten, solange sie nicht direkt mit dem Gasverbundnetz eines anderen Mitgliedstaats verbunden sind. Bei anderen Staaten sollen u.a. Anstrengungen zur Einspeicherung von Gas, eine drohende Stromkrise und der Verbrauch von Gas als Rohstoff etwa zur Erzeugung von Düngemitteln die verpflichtende Einsparmenge reduzieren können.
In Brüssel heißt es: Unter den meisten Mitgliedsstaaten herrsche der Eindruck vor, „dass der Plan allein Deutschland aus seiner energiepolitischen Sackgasse helfen soll.“ Viele, vor allem südeuropäische Länder wie Spanien, Portugal und Griechenland, die unter der deutschen EU-Vorherrschaft gelitten hätten, würden „nun die Chance sehen, es den ungeliebten Deutschen heimzuzahlen“.
FAZIT: Der Brüsseler „Notfallplan“ ist nicht nur eine weitere krachende Niederlage für Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) – die Gas-Krise könnte auch einmal als Anfang vom Ende der maroden EU in die Geschichtsbücher eingehen. Es wäre eine Beerdigung 2. Klasse!