AfD-Chef Tino Chrupalla: „Ich vertrete deutsche Interessen!“

In einem aktuellen dpa-Interview erklärt der AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla, wie er die Debatten der letzten Wochen erlebt hat und warum er wieder für das Amt des Parteivorsitzenden kandidieren wird.

Warum wollen Sie wieder als AfD-Chef antreten?

Meine Aufgabe in der Partei ist noch nicht beendet. In den mehr als zwei Jahren war es auch schwierig mit Jörg Meuthen als Co-Sprecher, sich selbst zu entfalten und Inhalte durchzusetzen. Er hat eine Spaltung der Partei vorangetrieben. Das hat uns alles ein Stück weit zerrissen, so dass wir jetzt den nächsten Schritt machen müssen. Ich möchte der Partei beweisen, dass da noch wesentlich mehr in mir steckt.

Und das würden Sie am liebsten alleine beweisen, also nicht in einer Doppelspitze?

Das ist eine Entscheidung des Parteitages. Wenn der geeignete Partner an meiner Seite ist oder die geeignete Partnerin, dann würde ich auch dafür zur Verfügung stehen.

Hat sich das Modell Handwerker als Parteichef aus Ihrer Sicht bewährt?

Es ist mir wichtig, dass wir dieses Wählerklientel abdecken, diejenigen, die wertschöpfend in diesem Land arbeiten. Das werden in den nächsten Jahren unsere Wähler sein und für die müssen wir Politik machen. Es gibt kaum noch Politiker, die diese Vorerfahrungen mitbringen. Mittlerweile ist das einzigartig im Deutschen Bundestag. In der Politik ist es wichtig glaubwürdig zu sein. Ich weiß welche Auswirkungen politische Entscheidungen auf große Teile der Bevölkerung in der Praxis haben.

Sie stehen in der Partei momentan aber stark in der Kritik…

Ganz ehrlich, es ist in unserer Partei ausgeprägt, dass derjenige, der vorne steht, immer weg muss. Das halte ich aus. Ich habe eine gute Mannschaft hinter mir und fühle mich auch von der Basis der Partei getragen. Wenige Funktionäre sehen mich kritisch. Das ist eben auf Funktionärsebene so. Ich sage immer, wenn ich abends nach Hause komme, muss mir meine Frau erstmal fünf Messer aus dem Rücken ziehen. Und die Messer haben immer die gleiche Farbe. Das gehört leider zur Politik dazu. Mein Ziel ist, dass wir in der Öffentlichkeit als Einheit wahrgenommen werden. Dafür stehe ich und da sehe ich, dass die Basis meinem Kurs folgt.

Aber es geht ein Riss durch die Partei beim Thema Russland und Ukraine. Sie werden eher als Putin-Versteher wahrgenommen. Sind Sie das?

Nein, das bin ich nicht. Ich habe zweimal Gesprächsangebote in Russland wahrgenommen. Wenn solche aus den USA kommen, dann reise ich auch dorthin. Ich bin kein Putin- Versteher, ich bin auch kein Washington-Versteher oder Brüssel-Versteher. Ich sehe mich als Politiker, der deutsche Interessen im In- und Ausland vertritt. Dafür wurde ich gewählt.

Wie erklären Sie es, dass die AfD sich mit dem Thema Russland und Ukraine so schwer tut und so gespalten ist?

Wir folgen hier nicht dem Mainstream, der sich tagtäglich mit Forderungen überbietet. Das halte ich für einen Riesenfehler. Wir werden eine europäische Sicherheitsarchitektur schaffen müssen, zu der auch Russland gehört. Russland bleibt unser Nachbar. Es wird auch Handels- und Gesprächsplattformen nach diesem Krieg geben müssen. Und da bin ich wieder bei deutschen Interessen. Von Sanktionen nehmen hauptsächlich wir selbst Schaden. Genauso lehnen wir Waffenlieferungen in Kriegsgebiete ab. Wer Waffen liefert schafft keinen Frieden.

Wie schwer oder leicht fällt Ihnen das, vom Rand zuzuschauen, wenn Sie jegliche Konsequenzen für Russland ablehnen?

Selbst wenn ich mich für Sanktionen einsetzen würde, würde das am Krieg nichts ändern. Wenn ich Menschen sehe, die dort sterben, das ist einfach schrecklich und grausam. Das geht mir als Familienvater nahe. Und ich würde alles dafür tun, dass es so schnell wie möglich beendet wird. Deswegen meine ich auch, dass man Gesprächsfäden aufrechterhalten muss, auch in solchen Krisenzeiten. Da braucht es eine Friedensrhetorik. Egal wie schrecklich und grausam dieser von Russland begonnene Krieg ist, man muss zu Kompromissen kommen, sonst wird er nie beendet werden.

Ist es nicht naiv, zu sagen, man müsse reden und kompromissbereit sein, wenn Russland nicht einmal anerkennt, dass es dort einen Krieg führt, sondern von Spezialoperationen spricht?

Natürlich ist das ein Krieg. Aber diese Formulierung „Operation“ kommt mir bekannt vor, als die USA den Irak oder Libyen angegriffen haben. Und wenn ich die Sicherheitsinteressen Russlands betrachte und Zusagen, die auch nicht eingehalten wurden, dann würde ich sagen, dass dieser Krieg auch viele Väter hat.

Also für Sie ist das kein Unterschied: Krieg der USA im Irak oder Russlands Krieg gegen die Ukraine?

Es gibt keinen guten und schlechten Krieg. Krieg ist immer grässlich. Es leiden und sterben immer Zivilisten, die damit nichts zu tun haben. Ich schlage mich nicht auf eine Seite. Man muss die Situation immer von beiden Seiten betrachten. Aktuell reagieren viele Politiker nicht rational, sondern viel zu emotional. Und das führt meistens zu keinen guten Entscheidungen. Mein Besuch am Ehrenhain der Bundeswehr in Schwielowsee hat mir das unlängst schmerzhaft vor Augen geführt.

Sich rauszuhalten, wie Sie das befürworten, könnte Putin aber vielleicht auch ermutigen einfach weiterzumachen, vielleicht irgendwann in Moldau, im Baltikum, in Polen. Diese Gefahr sehen Sie nicht?

Das sind alles Mutmaßungen. Deutschland steht nicht im Krieg mit Russland. Wir werden zerrieben zwischen den hegemonialen Mächten USA und Russland. Es ist auch ein Stellvertreterkrieg zwischen den USA und Russland, der hier stattfindet. Und wir täten gut daran, uns hier absolut rauszuhalten. Viele Bürger sehen die große Gefahr eines Dritten Weltkrieges, wenn wir uns einmischen. Das muss man einfach wissen, wenn man sich mit einer Atommacht, wie Russland anlegt. Man muss auch bedenken, dass die berechtigten Sicherheitsinteressen Russlands in den letzten 16 Jahren unter Kanzlerin Merkel nicht gehört wurden und es sich immer mehr in die Enge getrieben gefühlt hat.

Sie äußern Verständnis für Russland und sagen, es habe sich „in die Enge getrieben“ gefühlt. Haben Sie genauso Verständnis für Länder wie Polen, die baltischen Staaten, die deshalb in die Nato wollten, weil sie Angst vor Russland haben?

Polen hat immer Angst. Polen hat auch immer noch riesige Vorbehalte gegenüber Deutschland. Natürlich, wenn man das geschichtlich betrachtet, ist das zu berücksichtigen und das akzeptiere ich. Ich will da auch niemandem einen Vorwurf machen, der eine ist nicht besser als der andere. Wenn ich zum Beispiel die Nato-Manöver der letzten Jahre sehe, hat man diese Provokationskette aber immer näher an die russische Grenze herangebracht. Russland hat das in Umkehr genauso getan.

In einer ersten Reaktion auf die Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz, 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr bereitzustellen, hatten Sie das kritisiert. Sind Sie dagegen, die Bundeswehr zu stärken?

Natürlich möchte ich, dass Deutschland verteidigungsbereit ist. Dafür muss die Bundeswehr entsprechend ausgestattet werden. Man muss hier beim Beschaffungswesen und der Struktur der Bundeswehr ansetzen. Wir haben schließlich auch jetzt keinen geringen Militärhaushalt. Vergleichbare Industrienationen mit ähnlichem Militärhaushalt haben ganz andere Armeen, zum Beispiel Frankreich. Mit den finanziellen Mitteln muss man wirtschaften. Jede neue Investition muss zielgerichtet und finanzierbar sein. Insofern stehe ich auch höheren Ausgaben offen gegenüber.

Warum ist die AfD dagegen, die Energieverbindungen nach Russland zu kappen?

Ich finde es immer ein bisschen lustig, wenn es heißt, wir müssen uns unabhängig von russischem Gas machen. Schließlich verfügen wir über keine eigenen Ressourcen. Wir werden immer abhängig von Importen bleiben. Also brauchen wir Handelsbeziehungen. Und da muss man sich überlegen: Wollen wir eine rein wertebasierte oder eine interessengeleitete Außenpolitik machen? Ich finde, wir sollten die interessengeleitete Außenpolitik favorisieren. Dann geht es Deutschland gut.

Ihre Partei betont jetzt oft, dass Sie jetzt die konservativen Positionen der Union von einst einnähmen. Der öffentliche Eindruck ist doch aber eher, dass die AfD vor allem den Frust einsammelt und immer irgendwie dagegen ist…

Das Image ist teilweise von den Medien aufgebaut. Und wir haben auch ein Stück weit selbst dazu beigetragen. Aber die konservative CDU gibt es nicht mehr. Wir müssen jetzt in die Zukunft schauen. Das ist die Hauptaufgabe, die ich auch für mich sehe. Allerdings wollen wir auch weiterhin den Finger in die Wunde legen. Das kann auch teilweise kontrovers und laut sein. Wichtig ist, dass das in gemäßigtem und vernünftigem Ton, aber hart in der Sache stattfindet. Es geht um eine Professionalisierung auf allen Ebenen der Partei. Wir sind keine junge Partei mehr mit Kinderkrankheiten. Nein, wir kommen jetzt in die zehnte Klasse. Da muss schon ein bisschen die Reife vorhanden sein, dass man auch weiß, was man in der Öffentlichkeit sagt, und was nicht.

Das Kölner Verwaltungsgericht hat entschieden, dass der Verfassungsschutz die AfD beobachten darf. Sie sehen dafür keine Rechtfertigung. Können Sie versichern, dass die AfD nicht versucht, das demokratische System in Deutschland auszuhöhlen?

Das kann ich mit absolut reinem Gewissen versichern. Sehen Sie sich unsere Anträge an, die wir im Bundestag stellen. Sagen Sie mir einen Antrag, der verfassungsfeindlich verfassungswidrig ist. Wenn ich die Regierung kritisiere, heißt das nicht, dass ich den Staat ablehne. Wir wollen unser parlamentarisches Recht nutzen, um Deutschland weiter voranzubringen. Das ist unsere Aufgabe als Opposition.

Hat sich durch Urteil des Verwaltungsgerichts in der täglichen Arbeit etwas verändert? Gibt es jetzt mehr Waldspaziergänge als Telefonate?

Ich habe nichts zu verbergen. Gleichwohl gibt es Telefonate, die ich mit Sicherheit nicht ausführen werde. Und dann gibt es eben auch mal einen Spaziergang. Das habe ich auch vorher schon gemacht. Das Ganze ist an den Haaren herbeigezogen. Hier soll die Opposition delegitimiert und beschädigt werden. Irgendwann wird der Verfassungsschutz dann auch liefern müssen und konkret benennen, wo, an welchen Punkten die AfD den Staat oder das System abschaffen will. Die schriftliche Begründung des Urteils liegt uns allerdings immer noch nicht vor. Wir werden weiter für unser Recht kämpfen. Das sind wir unseren Mitgliedern, unserer Partei und unseren Wählern schuldig.

Quelle: dpa vom 06.04.2022

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