Wie einst in der DDR lohnt sich auch in der Bananenrepublik Deutschland zuweilen ein Blick in die Provinzpresse. Dort findet man mitunter Nachrichten, die von der „Qualitätspresse“ entweder „übersehen“ wurden oder womöglich absichtlich unterschlagen werden.
Ein Beispiel dafür fand sich kürzlich in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ). Unter der Überschrift „Einblicke in die Abgründe des Lobbyismus“ erfuhr der geneigte Leser, dass Bundestagsabgeordnete der Altparteien im Berliner Nobelhotel „Adlon“ feucht-fröhlich gefeiert haben sollen und sich von einem Lobbyisten aushalten ließen.
Der Reihe nach: Vor dem Osnabrücker Landgericht hat sich derzeit der „Unternehmer“ Hendrik H. aus dem Emsland wegen Betruges zu verantworten. Seine Masche war einfach: H. verkaufte Windkraftanlagen in Form von ganzen Windparks. Ein vermeintliches Millionengeschäft. „Grün“ orientierte Unternehmen rannten ihm die Bude ein. Es gab nur ein kleines Problem an den Projekten von H.: Sie existierten nicht.
Der Verlauf des Prozesses offenbarte zwei Dinge: 1. Die „Windei“-Branche ist an Dummheit nicht zu überbieten (H. berichtete, dass selbst plumpe Fälschungen in seinen Prospekten niemandem auffielen). 2. H. suchte die Nähe zur Macht – und er fand sie.
Wir zitieren aus der „NOZ“: „In Berlin pflegte H. beste Kontakte, traf Minister, Staatssekretäre und Bundestagsabgeordnete. Fast immer solche von der CDU, zu deren Kreisen er dank seines Cheflobbyisten – eines früheren Spitzenfunktionärs der Jungen Union – beste Drähte hatte. H. gab an, in den Parlamentskreis ,Ruhe und Genuss‘ aufgenommen worden zu sein.“
„Ruhe und Genuss“ – Abgeordnete, die ihrem Kungelclub diesen Namen geben, müssen schon eine besondere Spezies sein…
H. plauderte im Prozess einige Namen von Politikern aus, die in seiner „Adlon“-Suite angeblich ein- und ausgegangen sein sollen: Jan Metzler (CDU), Johannes Steiniger (CSU), Markus Uhl (CDU) und FDP-Chef Christian Lindner, heute Bundesfinanzminister. Mit dabei soll auch Ex-Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gewesen sein. Es sei gegessen und getrunken worden, erzählte H., der die Kosten für einen Abend in seiner Suite mit 26.000 Euro angab. Das ist selbst für das „Adlon“ ein hübsches Sümmchen.
Weiter lesen wir in der „NOZ“: „Laut H. gab es auch mindestens ein Treffen mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) – einem guten Freund des H.‘schen Cheflobbyisten.“ Der Name des „Cheflobbyisten“ wird nicht genannt. H. soll auch geplant haben, in das lukrative Masken-Geschäft einzusteigen. Dazu soll es aber nicht mehr gekommen sein, weil zwischenzeitlich gegen H. der Haftbefehl wegen Betruges vollstreckt wurde. Spahn bestreitet laut Zeitungsbericht die Kontakte; allerdings seien im Prozess Emails an den Minister verlesen worden, die für die Version von H. sprechen könnten.
Sei’s drum: Das Onlineportal „spoekenkiekerei“, das nach eigenen Angaben einen „Blick in die Zukunft des politisch-medialen Komplexes“ wirft, hat sich die Runde der Abgeordneten von „Ruhe und Genuss“ einmal genauer angesehen. Dem Portal fiel auf, dass „die meisten mit Familienangelegenheiten nichts am Hut haben“. Zwar ist bzw. war FDP-Chef Lindner verheiratet, und auch Uhl gibt in seiner Vita an, verheiratet zu sein. Doch – pikant, pikant – die anderen seien „ledig“ oder machten keine Angaben. Angaben zu Kindern finden sich bei keinem der bekannt gewordenen Teilnehmer.
Nun wollen wir nicht weiter spekulieren…aber zumindest die Gedanken sind hierzulande noch immer frei. (oys)