Der Advents-Lockdown für Ungeimpfte stößt nicht nur bei der AfD auf heftige Kritik. Auch Handel und Wirtschaft reagieren entsetzt. Die Polizei warnt vor Unruhen und zunehmender Aggressivität.
Die Vorsitzenden der AfD-Bundestagsfraktion, Alice Weidel und Tino Chrupalla, sehen in den Bund-Länder-Beschlüssen „ein weiteres Dokument der völligen Rat- und Planlosigkeit in der Corona-Politik“. Panikmache sei kein tragfähiges Politikkonzept. Kontaktbeschränkungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen seien rechtlich fragwürdig, faktisch nicht durchsetzbar und somit nichts anderes als „kraftmeierische Alibi-Politik“.
In einer gemeinsamen Erklärung stellten beide AfD-Spitzenpolitiker fest: „Es geht einfach nahtlos weiter nach dem Motto: Wenn die Maßnahmen nicht wirken und nichts taugen, machen wir einfach mehr davon. Wieder werden Kinder und Jugendliche mit einer generellen Maskenpflicht im Unterricht schikaniert, obwohl sie die am wenigsten gefährdete Bevölkerungsgruppe sind und auch nicht Treiber des Infektionsgeschehens sind.“
Die nach Ansicht beider AfD-Spitzenpolitiker verfassungswidrige 2G-Regel werde auch nicht dadurch sinnvoller, dass man sie verpflichtend im ganzen Land vorschreibt. „Sie dient lediglich dazu, nicht geimpfte Bürger zu diskriminieren und unter Druck zu setzen und dem Einzelhandel das Grab zu schaufeln“, erklärten Weidel und Chrupalla.
Polizei befürchtet mehr Aggressivität
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnte vor einer Zunahme der Aggressivität unter frustrierten Menschen. Sorgen bereiten die Beschlüsse auch der Gastronomie und dem Handel.
Aus Sicht von Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger belasten 2G-Regeln den Einzelhandel unverhältnismäßig: „Eine 2G- oder 2G-plus-Regelung, die lediglich dazu dient, einen Lockdown als Begriff zu vermeiden, aber wie ein Lockdown wirkt, schafft eher Unsicherheit, aber kaum mehr Infektionsschutz.“ Die Hauptgeschäftsführerin des Gastronomie-Verbands Dehoga, Ingrid Hartges, mahnte: „Die Lage in unserer Branche ist wirklich von Tag zu Tag dramatischer.“ Sie befürchtet, dass weitere Mitarbeiter der Branche den Rücken kehren könnten.
Händler sehen ihre Existenz bedroht
Michael Höltgebaum, Inhaber eines Outdoor-Geschäfts in Flensburg, rechnet mit dramatischen Einbußen beim Weihnachtsgeschäft; die Maßnahmen würden den „umsatzstärksten Monat“ des Jahres treffen. „Existenziell bedrohend“, lautet der Kommentar von Sieglinde Veith, Inhaberin eines Modegeschäfts in Norddeutschland. Sie schimpft: „Das wird auf unserem Rücken ausgetragen und das finde ich völlig daneben.“
Böller-Verbot: Entlassungen bei Feuerwerkshersteller
Der Feuerwerkshersteller „Weco“ mit einem Werk in Kiel hat auf das Verkaufsverbot von Böllern entsetzt reagiert. Aus Sicht des Unternehmens gibt es dafür keinen nachvollziehbaren Grund. Das Verbot stürze die Firma in die schwerste Krise ihrer Gründung. Schon im vergangenen Jahr habe man ein Werk schließen und 100 Mitarbeiter entlassen müssen. Jetzt seien die 350 restlichen Arbeitsplätze in Kiel und an zwei weiteren deutschen Standorten in Gefahr.
Der Irrsinn noch einmal im Überblick
Bund und Länder hatten sich in einer Spitzenrunde mit der scheidenden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie deren designiertem Nachfolger Olaf Scholz (SPD)auf schärfere Corona-Regeln geeinigt, die vom Wochenende an bundesweit gelten sollen. Diese reichen von erheblichen Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte und Nicht-Genesene bis hin zu 2G-Regelungen für den Besuch von Restaurants, Kinos, Theatern und anderen Freizeiteinrichtungen. Zusätzlich kann sogar ein aktueller Test – also 2G plus – vorgeschrieben werden. Auch in Ladengeschäfte kommen jetzt nur noch Geimpfte oder Genesene. Dies gilt unabhängig von den Inzidenzen. Ausgenommen sind der Lebensmitteleinzelhandel, Supermärkte, Drogerien, Apotheken.-
Die Runde beschloss darüber hinaus eine deutliche Reduzierung der Zuschauerzahl für überregionale Sport-, Kultur- und ähnliche Großveranstaltungen. Künftig dürfen maximal 30 bis 50 Prozent der Platzkapazität genutzt werden. Private Zusammenkünfte im öffentlichen oder privaten Raum, an denen nicht geimpfte und nicht genesene Personen teilnehmen, sind dem Beschluss zufolge auf den eigenen Haushalt sowie höchstens zwei Personen eines weiteren Haushaltes zu beschränken. Kinder bis zum Ende des 14. Lebensjahres sind hiervon ausgenommen. Die Regelung gilt nicht für private Zusammenkünfte, an denen ausschließlich Geimpfte und Genesene teilnehmen.