Ein exklusiver Gastkommentar von Björn Höcke
Vorab:
Nach dem amtlichen Endergebnis kam die AfD in Baden-Württemberg auf 9,7 und in Rheinland-Pfalz auf 8,3 Prozent. Das bedeutet einen Verlust von rund ein Drittel der Stimmen im Vergleich zu den Landtagswahlen 2016. Ob und wie die starke Briefwahlneigung die schlechte Tendenz für unsere Partei noch verstärkte, ist hier nicht Gegenstand der Betrachtung, muß desungeachtet ergründet werden.
Erstens:
Das etablierte Parteienkartell hält sich stabil bei rund 80% der Wählerstimmen. Die Verschiebungen innerhalb dieses Kartells zu Lasten der CDU dürfen über diese Tatsache nicht hinwegtäuschen.
Zweitens:
Die jeweiligen Regierungsparteien SPD und Grüne können in den Corona-Krisenzeiten von einem Regierungsbonus profitieren.
Drittens:
Wer über die sehr guten Ergebnisse der Grünen, die 58 von 70 Direktmandaten in Baden-Württemberg gewinnen konnten, entsetzt ist, sollte bedenken, daß in diesem Bundesland die Grünen einen (vermeintlich) bürgernäheren Kurs als woanders fahren und mit dem Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer durchaus vernünftige Leute das Gesicht der Partei mitprägen. In dieser Stadt haben die Grünen mit 44,2 % eines der besten Ergebnisse insgesamt erzielt.
Viertens:
Das desaströse Ergebnis der CDU ist die verdiente Quittung für eine inhaltlich und moralisch entkernte »Kanzlerinnenpartei«. Die faulen Früchte des Merkelismus fallen zu Boden.
Fünftens:
Ein längeres Sinnieren über mögliche, neue Regierungskonstellationen – z.B. eine Ampelkoalition ohne CDU – ist für uns überflüssig: in welcher Farbkombination auch immer die Zerstörung unserer nationalen Lebensgrundlagen vollzogen wird, ist unerheblich.
Sechstens:
Mit dem deutlichen Anstieg der Freien Wähler, die in Rheinland-Pfalz mit 5,4% sogar in den Landtag einziehen konnten, ist eine weitere Wahlalternative zur etablierten Politik bundesweit am Entstehen, auch wenn diese nur auf einer Illusion beruht: Bayern hat gezeigt, daß die Freien Wähler dort rein kosmetisch wirken und letztlich die althergebrachte Politik der CSU stützen. Gleichzeitig wird jedoch die eigentliche Bürgeropposition im Land geschwächt.
Siebtens:
Das deutliche Absinken der Wahlbeteiligung um rund 5% ist ein besorgniserregendes Zeichen, weil genau hier die Stimmen zu suchen sind, die der AfD verloren gingen.
Achtens:
Die AfD hat mit ihren nur noch einstelligen Prozenten im Westen nicht lediglich »einen Streifschuß« erhalten, sondern eine klare Wahlschlappe einstecken müssen. Wenn man die sinkende Wahlbeteiligung von 5% mit einberechnet, wird der Verlust an absoluten Stimmen noch deutlicher.
Neuntes:
Die Ursachen der Schlappe sind vielfältig, die zweifellos schweren Bedingungen des Wahlkampfes können hier nicht als alleinige Erklärung geltend gemacht werden. Zentral scheinen vielmehr das schwache politische Profil, das sich u.a. in den teils langweilig-biederen Slogans ausdrückte, und das schlechte Außenbild einer zerstrittenen Partei zu sein, das die potentiellen AfD-Wähler abschreckte. Alarmierend ist auch das katastrophale Abschneiden in Arbeiterwohngebieten, was auf ein empfindliches sozialpolitisches Defizit hinweist, wobei hier genauere Analysen noch ausstehen. Von den Corona-Protesten konnte die Partei nicht profitieren, da diese vor allem im Südwesten – anders als im Osten des Landes – großenteils von linksalternativen und freichristlichen Gruppierungen repräsentiert werden und Teile der Parteiführung leider eine klar ablehnende Haltung selbigen gegenüber gezeigt hat. Die absurden VS-Diffamierungen spielen, wenn überhaupt, in den bürgerlichen Schichten der Alt-BRD nur eine marginale Rolle.
Zehntens:
Die AfD sollte bundesweit aus den schlechten Wahlergebnissen die richtigen Schlüsse ziehen, wenn sie nicht als »jüngste Altpartei der Republik« enden will.
Wichtig scheinen mir hierbei folgende Punkte:
- Das Schielen nach der ominösen »bürgerlichen Mitte« hat sich einmal mehr als falsch erwiesen, wie ein Blick auf die Wählerwanderung zeigt. Das wichtigste Wählerpotential besteht in dem großen und weiter wachsenden Reservoir der Nichtwähler. Diese Klientel steht in fundamentaler Opposition zu der herrschenden Politik und läßt sich nicht mit lauen, biedermännischen und angepaßten Positionen an die Wahlurne bringen. Das bedeutet nicht ein Absturz in politische Pöbelei und Verbalradikalismus. Klare, bürgernahe Stellungsnahmen und Wahlkampfslogans kann man auch so flott wie gepflegt ausdrücken.
- Nur mit einem klaren sozialpolitischen Profil läßt sich die große Wählergruppe der »kleinen Leute« gewinnen, die am meisten unter den Zumutungen der Globalisierung, des Klimawahns (Strompreise!) und den Migrationsfolgen leidet.
- Geschlossenheit nach außen, auch gegen die infamen Angriffe des politisch instrumentalisierten Inlandsgeheimdienstes, ist ebenso erforderlich wie eine souveräne, gelassene Standfestigkeit, um für die Wählerschaft attraktiv zu sein und Zutrauen zu gewinnen.
- Ohne Geduld und Ausdauer in Sachen Regierungsbeteiligung geht es nicht: Das etablierte Parteienkartell zeigt zwar Risse und Verwerfungen, hält sich aber noch Dank der Loyalität der Leitmedien. Die Ostverbände der AfD zeigen eindrucksvoll, daß man auch ohne Regierungsbeteiligung Politik mitgestalten und gegen allzu verrückte Projekte Sperrminoritäten aufbauen kann.
Resümee: Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sind ein deutliches Warnsignal für die AfD. Ein »Weiter so« kann es nicht geben. Wenn sie bundesweit auch künftig das parteipolitische Flaggschiff der Bürgeroppostion im Lande bleiben will, muß sie sich jetzt besinnen und ihre Hausaufgaben machen.
Die Anfang Juni stattfindenden Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt haben eine zentrale strategische Bedeutung. Wenn es uns hier gelingt, trotz des desaströsen Bundestrends die 24,3 Prozent zu halten oder gar auszubauen, ist das eine Vorentscheidung für eine personelle Neuaufstellung unserer Führungsebene.