Das sogenannte Corona-Strategiepapier des Bundesinnenministeriums sorgt weiter für Wirbel. In dem Panik-Drehbuch wird empfohlen, per Angst-Kommunikation eine möglichst hohe Schockwirkung zu erzielen. Unfassbar: Die Passagen formulierte ein fachfremder Germanist und Mao-Bewunderer!
Laut Medienberichten (u.a. „Aargauer Zeitung“) wurde ein einfacher Mitarbeiter der Universität Lausanne vom deutschen Innenministerium in einen Corona-„Expertenrat“ berufen. Die Universität konnte das nicht glauben – und vermutete zunächst eine Täuschung.
Otto Kölbl (52) hat Germanistik, Anglistik und Geschichte studiert. Den Österreicher hat es an den Genfer See verschlagen. Dort nimmt er als externer Prüfer Goethe-Sprachprüfungen an der Abteilung für Deutsche Sprache der Universität Lausanne ab. Daneben forscht und doktoriert er gemäß der Uni-Website zur „sozio-ökonomischen Entwicklung in China und anderen Entwicklungsländern sowie über deren Darstellung in den westlichen Medien“.
Kölbl wurde, wie „Welt am Sonntag“ zuerst berichtet hatte, vom Bundesinnenministerium (BMI) Mitte März 2020 als Berater in ein internes „Expertengremium“ berufen. Dabei hat der Österreicher weder eine akademische Ausbildung in den Bereichen Virologie, Epidemiologie oder Public Health noch irgendeine Expertise in einem anderen pandemierelevanten Feld.
Neben Germanistik-Doktorand Kölbl gehörten der Gruppe auch „Fachleute“ wie der Direktor des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, von Hause aus Veterinär, an. Innerhalb weniger Tage erfüllte das „Expertengremium“ den Auftrag des Bundesinnenministeriums, möglichst horrende Corona-Szenarien mit Blick auf eine weitere Lockdown-Verlängerung zu erstellen.
Innen-Staatssekretär Markus Kerber stellte ein Team aus „führenden Wissenschaftlern“ von mehreren Forschungsinstituten und Universitäten zusammen. Gemeinsam sollten sie ein Papier erarbeiten, welches harte Maßnahmen über Ostern hinaus legitimieren sollte, wie „Welt am Sonntag“ berichtete. Das Ministerium brauche ein Rechenmodell, „um mental und planerisch ‹vor die Lage› zu kommen“. Dieses solle bei der Planung „weiterer Maßnahmen präventiver und repressiver Natur“ helfen, zitieren Medien aus einer E-Mail des Spitzenbeamten.
Plädoyer für autoritären Ansatz
Die Mitarbeit im Gremium verdankt der Lausanner Germanist Otto Kölbl offensichtlich einem Papier mit dem Titel „Von Wuhan lernen – es gibt keine Alternative zur Eindämmung von Covid-19“. Dieses hatte er Anfang März gemeinsam mit dem Politologen Maximilian Meyer von der Universität Bonn verfasst – in seiner Freizeit.
Meyer und Kölbl waren früher beide als Lehrbeauftragte an chinesischen Universitäten tätig. In ihrem Papier plädierten sie für einen streng autoritären Ansatz bei der Eindämmung von Covid-19.
Laut „Aargauer Zeitung“ erfuhr die Universität Lausanne im März von Kölbls Publikation – und war irritiert. Sie forderte ihn auf, für seine Privatprojekte nicht über die Mailadresse der Universität zu kommunizieren.
Nachdem ihn das Innenministerium als Berater berufen hatte, bat Kölbl das BMI, bei der Universität zu intervenieren, heißt es in der „Aargauer Zeitung“ weiter. Ihm sei offenbar wichtig gewesen, über die Mailadresse der Universität zu kommunizieren und sich so mit deren akademischen Renommee schmücken zu können. Tatsächlich wandte sich Staatssekretär Kerber per E-Mail an die Uni Lausanne und lobte, Germanist Kölbl habe durch seine Mitarbeit „bisher schon enorm wichtige Impulse setzen können“.
Uni Lausanne vermutete Fälschung
Angesichts der Intervention aus höchsten Berliner Regierungskreisen zugunsten eines einfachen administrativen Mitarbeiters ohne einschlägige Erfahrung wurde die Universitätsleitung stutzig. Dave Lüthi, Dekan der Philosophischen Fakultät, hielt Kerbers Mail offenbar für eine Fälschung: „Wir halten die Nachricht für nicht glaubhaft und bitten Sie um eine Bestätigung“, so seine Antwort. Dekan Lüthi wies den Staatssekretär auf die Anstellung Kölbls als Prüfer für Goethe-Deutschtests hin. Die Information aus Lausanne erreichte das deutsche Innenministerium zu einem Zeitpunkt, als das Expertengremium sein vertrauliches Grundlagenpapier bereits fertig gestellt hat.
Schockszenarien eines Mao-Verehrers
„Welt am Sonntag“ zufolge verfasste Kölbl darin weite Teile des Abschnitts mit dem Titel „Schlussfolgerungen für Maßnahmen und offene Kommunikation“. Dort plädierte er dafür, in der Öffentlichkeit den „worst case“ zu verdeutlichen:
„Um die gewünschte Schockwirkung zu erzielen, müssen die konkreten Auswirkungen einer Durchseuchung auf die menschliche Gesellschaft verdeutlicht werden. … Viele Schwerkranke werden von ihren Angehörigen ins Krankenhaus gebracht, aber abgewiesen, und sterben qualvoll um Luft ringend zu Hause. Das Ersticken oder nicht genug Luft kriegen ist für jeden Menschen eine Urangst.“
Weiter dramatisierte Mao-Fan Kölbl:
„Kinder werden sich leicht anstecken, selbst bei Ausgangsbeschränkungen … Wenn sie dann ihre Eltern anstecken, und einer davon qualvoll zu Hause stirbt und sie das Gefühl haben, Schuld daran zu sein, weil sie z.B. vergessen haben, sich nach dem Spielen die Hände zu waschen, ist es das Schrecklichste, was ein Kind je erleben kann.“
Auf seinem Blog verteidigt der Germanist die Tibet-Politik Chinas. Auf Twitter bekennt sich der Lausanner Germanist zudem als Mao-Bewunderer. Was Kölbl als Corona-Berater für das deutsche Innenministerium qualifiziert hat bleibt eines der vielen Geheimnisse von Horst Seehofer (CSU). Trotz mehrerer Anfragen gab das Ministerium dazu keine Auskunft.