wenn die Mächtigen nervös werden, lassen sie ihrer Verachtung für das Volk freien Lauf. Als Idioten – »Covidioten« – beschimpft die Vorsitzende der Regierungspartei SPD Bürger, die ihr Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit in Anspruch nehmen, um gegen die massiven Eingriffe der Bundesregierung in ihre Persönlichkeits- und Freiheitsrechte zu protestieren. Und wie die Pilze nach dem Sommerregen strecken all jene die Köpfe heraus, denen der Kampf gegen die Corona-Pandemie als Generalvorwand gerade recht kommt, um alle möglichen Bürgerrechte einzuschränken oder gar abzuschaffen – auch das Recht auf Versammlungsfreiheit.
Die Doppelmoral ist mit Händen zu greifen. Esken und viele andere, die jetzt nach hartem »Durchgreifen« gegen vermeintlich verantwortungslose, friedliche Demonstranten fordern, haben die politisch genehmen »Antirassismus«-Kundgebungen von »Antifa«, »Black Lives Matter« & Co. frenetisch bejubelt und die damit verbundenen Krawalle und Ausschreitungen des linksextremen Mobs nach Kräften verharmlost und heruntergespielt. Niemand hat da eine angebliche Gesundheitsgefährdung wegen der Nichtbeachtung sogenannter »Hygieneregeln« an die Wand gemalt und nach Demonstrationsverboten gerufen. Und während die Polizei ein ums andere Mal angewiesen war, die linken Krawallbrüder passiv gewähren zu lassen, hatte sie bei der Berliner Großkundgebung gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung offenkundig Order, die hysterisch aufgebauschten »Verstöße« zum Anlass für die alsbaldige Auflösung der Veranstaltung zu nehmen.
Dabei ist sonnenklar: Gefahr für unsere Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt geht nicht von Bürgern aus, die ihre Grundrechte wahrnehmen und gegen Zwangsmaßnahmen der Regierung protestieren, sondern von Volksvertretern, die sich für unfehlbar halten und zu Volksverächtern mutieren. Und verheerender als jeder Bürger-Überdruss an Maskenzwang und Abstands-Vorschriften ist der Vertrauensverlust in den Rechtsstaat und die Sicherheitskräfte, wenn diese mit zweierlei Maß messen und willkürlich agieren.
Sind wir schon wieder so weit, dass »gute«, weil politisch korrekte und erwünschte Kundgebungen ermuntert und gefördert werden, während »böse« regierungskritische Demonstrationen nach Kräften unterbunden werden? Fast scheint es, als lieferten sich die etablierten Parteien einen Wettlauf, um die Warnung des ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen zu bestätigen: Dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung seien wir »näher an der DDR als je zuvor«.
Lediglich die AfD als freiheitliche Opposition und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki als letzter liberaler Mohikaner der FDP heben sich mit differenzierten Wortmeldungen und echtem Verständnis für den Bürgerprotest vom politisch-medialen Einheitschor ab. Das ist ein Glücksfall, denn es geht ums Eingemachte – um Freiheit und Bürgerrechte.
Hundertprozentige Sicherheit vor allen Risiken gibt es nicht, und der Staat darf sich auch nicht anmaßen, sie gewährleisten zu können. Sicherheit steht stets im Spannungsfeld mit der Freiheit und Eigenverantwortung der Bürger. Diese Güter müssen sorgfältig und immer aufs Neue gegeneinander abgewogen werden. Das verlangt auch die Bereitschaft, Fehlentscheidungen zu korrigieren, statt einen einmal eingeschlagenen Irrweg rechthaberisch durch immer neue Freiheitseinschränkungen auf die Spitze zu treiben.
»Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren« – Benjamin Franklins Warnung ist unverändert gültig. Und schon Aristoteles wusste: »Wer Sicherheit der Freiheit vorzieht, bleibt zu Recht ein Sklave.« Wo Sicherheit absolut gesetzt wird und von staatlichen Zwangsvorgaben erwartet wird statt von freier bürgerlicher Verantwortung, ist die Gesundheitsdiktatur nicht mehr weit. Gegen die Freiheit gibt es auch keine Sicherheit, die es wert wäre, sich für sie einzusetzen.
Den Berliner Corona-Demonstranten gebührt, bei aller Heterogenität der beteiligten Gruppen und Personen, Dank dafür, dass sie uns diese Grundsatzfrage nachdrücklich ins Bewusstsein gerufen haben.
Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ist nicht verhandelbar und darf auch nicht zur Disposition gestellt werden.