Geht’s noch geschmackloser? Hunderttausende Deutsche haben durch die Corona-Maßnahmen schon ihren Job verloren, Millionen sind in Kurzarbeit und zittern, zigtausende Unternehmen, Läden, Gewerbebetriebe, Bars und Restaurants wissen nicht, ob sie den Sommer überhaupt überleben – aber Gottkanzlerin Merkel und der bayerische Sonnenfürst Markus Söder treffen sich auf Schloss Herrenchiemsee zur Lustpartie, Prunkgespann und romantische Kahnpartie inbegriffen, und spreizen sich in der von Ludwig II. hingestellten Versailles-Kopie im Glanz der absolutistischen Monarchie.
Wenn der Pöbel kein Brot hat, soll er halt Kuchen essen. Marie Antoinette, der letzten französischen Königin, hat man diesen zynischen Spruch untergeschoben; Merkel und Söder auf ihrem Feudal-Trip würde man ihn freilich auch zutrauen. Auf das gewöhnliche Volk schauen die beiden ähnlich geringschätzig herunter. Sollen die da unten doch Masken tragen, bis sie umfallen, während die Wirtschaft den Bach runter geht. Wie Gouvernanten beschulmeistern Merkel und Söder die Bürger und können sich gar nicht genug neue Vorschriften ausdenken; mal verteilen sie huldvoll häppchenweise »Corona-Lockerungen«, als wäre es ein Gnadengeschenk, mal erfinden sie neue Restriktionen, um das Volk in Dauer-Panik zu halten. Ein Ausreiseverbot, mit dem man mal eben ganze Landkreise abriegeln kann, das wäre doch was. Merkel kennt so was ja von früher, ihr Kanzleramtsminister stellt die Idee mal eben in den Raum, und Söder applaudiert begeistert.
Der bayerische Ministerpräsident weiß natürlich ganz genau, was er tut, wenn er an dem einen Tag sich bei den Grünen anbiedert und am anderen die Noch-Kanzlerin mit höfischem Prunk umgarnt und sich als ihr »Kronprinz« inszeniert. Er will sich als der bessere schwarz-grüne Kanzler ins Spiel bringen und auch möglichst lange als solcher im Gespräch bleiben. Selbst wenn er doch nicht Kanzlerkandidat oder gar Kanzler wird, hat er damit jedenfalls ordentlich für sich Reklame gemacht und sich als starker Mann für Bayern in Szene gesetzt.
Aber halt, es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen Merkel und Söder, wie sie abgehoben in der Spiegelgalerie des nachgebauten Barockschlosses thronen, und den absolutistischen Herrschern vergangener Tage: Die Kanzlerin und der Ministerpräsident sind nicht von Gottes Gnaden auf ihre Sessel gesetzt worden. Die Bürger haben sie dorthin gewählt, und die Bürger können sie von dort auch wieder abwählen. Es scheint, dass man die Deutschen dringend wieder mal daran erinnern muss.