Eine Kolumne von Matthias Moosdorf: Deutschland auf dem Weg in die dritte Diktatur

Deutsche lieben den Gleichschritt, gesellschaftlich und erkenntnistheoretisch. Natürlich nicht bei der Bundeswehr, die soll Brunnen bauen und ihre Waffen zerstören, weil sie – in falschen Händen – Menschen töten können. In Zeiten, wo Grenzen nicht geschützt und Werte nur wohlfeil mit arroganter Schreibe verteidigt werden, sind Preußentum, Disziplin und Wehrhaftigkeit Relikte einer »alten Ordnung«. Und dort beginnt das Problem. Der ehemalige Staatschef Litauens, Vytautas Landsbergis, gab dieser Tage ein vielbeachtetes Interview. Der Tenor: »Deutschland gleitet ein drittes Mal in den Sozialismus ab.« Ein drittes Mal? Dieser Satz macht nur Sinn, wenn man die beiden anderen Diktaturen auf deutschem Boden, die NS-Zeit und den versuchten Kommunismus der DDR als das begreift, was sie waren: zwei unterschiedlich gefärbte Spielarten der gleichen Ideologie, demokratiefeindlich und gewalttätig, zuerst gegen die eigenen Bürger. Hinzu kommt, dass seine Anamnese suggeriert, der ausgerufene »Kampf gegen rechts« als alles überklammerndes, realitätsverweigerndes Feindbild sei jetzt schon Teil eines absichtlich immer weiter verengten Meinungskorridors, über Political Correctness, Hate Speech und Netzwerkdurchleitungsgesetz. Am Ende steht über die Kontrolle der Sprache auch die Kontrolle des Denkens: eine neue Diktatur.

Von der Lust, die Mitmenschen zu gängeln

Erinnern wir uns, wie Kurt Schumacher in den 30ern des letzten Jahrhunderts von den »Kommunisten, die in Wirklichkeit nur rot lackierte Doppelausgaben der Nationalsozialisten sind« sprach, wie Alexander Jakowlew von der größten Sünde der Sowjetunion schrieb, nämlich, »den Faschismus erfunden zu haben«. Auch die von mir im Deutschland Kurier
schon zitierten Analysen von Peter Sloterdijk und Arnulf Baring gehen in diese Richtung.
Warum agieren die Grünen in ihrem Ökowahn mit Verboten statt mit Überzeugung? Oder hat das Automobil auf seinem Siegeszug vorher Verbote von Pferdekutschen gebraucht? Warum gängelt die EU-Bürokratie 500 Millionen souveräne erwachsene Menschen mit Höchstwattzahlen von Staubsaugern, Kartoffelgrößen, Käse-Reiferichtlinien und anderem debilem Dirigismus? Warum träumt ein SPD-Hanswurst, der noch nie abseits seiner roten Filterblase eine Hand rühren musste, von Verstaatlichung und Enteignung, also dem Einsatz staatlicher Gewalt gegen die Grundfesten der liberalen Demokratie und Marktwirtschaft?

Oder war »Links« letztendlich immer Avantgarde mit selbst zugeschriebenen Sonderrechten, eine Formation von »Aktivisten«, die wie Lenin meinte, »neunzig Prozent des Volkes hinter sich versammeln und die verbleibenden zehn Prozent liquidieren« müsse? Vielleicht erklärt das die wahnhafte deutsche Toleranz gegenüber dem religiösen Totalitarismus des Islam?

Internationaler und nationaler Sozialismus

Zweifellos jedenfalls empfand sich keiner der SA-Leute, die unter der Hakenkreuzfahne durch Moabit oder Steglitz marschierten, als Parteigänger irgendeiner »Reaktion«. Wie die Kolonnen der Linken empfanden sie sich als Vorkämpfer einer neuen Zeit. Der Historiker Joachim Fest schreibt: »Beide Epochengegner, die sich so erbittert bekämpften, träumten den Traum vom ›Neuen Menschen‹, der mit ihnen erst die Möglichkeit erlange, sich auf Erden zu verwirklichen; beide machten sich, wenn auch mit scheinbar gegensätzlichen Parolen, auf die Suche nach dem vor Zeiten verlorenen Paradies. Und beide hassten mehr als alles andere die bürgerliche Welt.« Und weiter: »Der Berliner Volkswitz, der diese Einheiten als ›Bulettenstürme‹ verhöhnte (›außen braun, innen rot‹) deckt auf, wie nahe beieinander auch die Öffentlichkeit die einen und die anderen wahrnahm. Man wechselte sozusagen nur den Anführer und die Fahne, nicht einmal die Treffkneipe.«
Joseph Goebbels, bis zum Schluss einer der engsten Parteigänger Hitlers, stellte klar: »Der Idee der NSDAP entsprechend sind wir die deutsche Linke … Nichts ist uns verhasster als der rechtsstehende nationale Besitzbürgerblock.« (Zitat von 1931 aus ›Der Angriff‹)

Ab 1933 wurden zwar keine Produktionsmittel verstaatlicht, tatsächlich hatte Hitler einen weit klügeren Einfall. Er sozialisierte, in eigenen Worten, »nicht die Betriebe, sondern den Menschen«. Auf diese Weise war er politisch, wirtschaftlich und sozial auch wesentlich erfolgreicher. Die später eingeführten Jahrespläne, die Kontrolle des Kreditwesens und die umfassende staatliche Lenkung der baldigen Kriegswirtschaft bis zur Gründung von Industrieverbünden (z. B. IG Farben, in der DDR vergleichbar den Kombinaten) ermöglichten Staat und Partei ein weitgehendes Durchregieren. Hitler zu den ›Leipziger Neuesten Nachrichten‹: »Es kommt einzig und allein darauf an, dass der Grundgedanke im Wirtschaftsprogramm meiner Partei klar herausgestellt wird, und das ist der Autoritätsgedanke. Ich will die Autorität, ich will die Persönlichkeit, ich will, dass jeder den Besitz, den er sich erworben hat, behalten soll, nach dem Grundsatz: Gemeinnutz geht vor Eigennutz. Nur soll der Staat die Kontrolle behalten, und jeder Besitzende soll sich als vom Staat Beauftragter fühlen.«

Die Lust am eigenen Untergang

Selbst nach den zerstörerischen Bombennächten spielte wie in einer Opernkulisse die Schaffung der vermeintlich neuen Welt auf der Asche der alten eine bezeichnende Rolle. Die Lust am eigenen Niedergange scheint uns Deutschen genetisch mitgegeben: Goebbels sprach von den »Gefängnismauern« der bourgeoisen Welt, die jetzt endlich »in Klump geschlagen« würden, und Robert Ley »atmete auf«: Endlich sei es »vorbei mit der Welt«, die sie verabscheuten. Das Berliner Stadtschloss und die Leipziger Universitätskirche mussten einige Jahre später ähnlichen linken Phobien weichen.

Eine Sache deutsch zu betreiben heißt, sie um ihrer selbst willen zu betreiben. Nirgendwo anders auf der Welt wird die tägliche Realität billiger geleugnet, gehen den Menschenfängern gelehrigere Jünger ins Netz. Auf der Suche nach eigener Absolution von Konsum und Schuld, vom CO2-Abdruck des eigenen Lebens und damit der Last, in diese dem Untergange geweihten Welt hineingeboren worden zu sein, gingen am Freitag, dem 20. September, bei uns 1,4 Millionen Menschen für vermeintlichen Klimaschutz auf die Straße, ein Drittel der weltweit rund vier Millionen Teilnehmer. Die Erregungskurve und Mobilisierungsbereitschaft sind hier mit Abstand am höchsten. Ernst Nolte sah in Deutschland das Land, dessen Geschichte »in höherem Maße eine Geschichte ideologischer Konflikte und politischer Teilungen als diejenige irgendeines anderen Staates in der Welt« ist.

Der deutsche Hang zum Unbedingten

Kommen wir zurück auf Landsbergis und seine Sorge heute. »Manche Leute glauben, im Namen des vermeintlich Guten könnten sie Menschen unterdrücken. Das ist schon in sich unmoralisch. Aber man muss sich auch fragen, was dieses Gute ist, das sie angeblich anstreben. (…) Wir müssen die Philosophie des Lebens ändern. Dem Marxismus und der Political Correctness den Kampf ansagen, die Dinge beim Namen nennen und unseren Verstand einschalten.«

Auf die Frage, warum die Lüge im Westen so übermächtig werden konnte, antwortete er: »Weil der Mensch dazu neigt, sich selbst zu betrügen. Der Mensch liebt die Wahrheit nicht und auch nicht, sich selbst im Spiegel anzusehen. Er liebt es, den Spiegel durch etwas anderes zu ersetzen, das ihm genau das Bild zeigt, das er sehen will. Genau dieser Wunschspiegel ist die politische Korrektheit.«

Das dahinterliegende Motiv zur Durchsetzung einer vermeintlich besseren Welt war in beiden vormaligen Diktaturen gleich: Wir haben die Wahrheit auf unserer Seite. Jeder, der gegen diese Wahrheit ist, ist ein Schädling. Und den muss man vernichten. Keine Gespräche mit dem Feind!

Willkommen im heutigen Deutschland. Rechts und links bezeichnete nur die Sitzposition im alten Deutschen Reichstag. Da war und ist ganz offensichtlich mehr Gemeinsames als Trennendes – der Hang zur Diktatur zum Beispiel. Erkennen Sie seine lachende Fratze?

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