Was Peter Tauber dieser Tage vorgeschlagen hat, Kritikern der Asylpolitik der Bundesregierung ihre Grundrechte zu entziehen, ist keine Forderung aus dem Off der Abgehalfterten. Auch wenn seine Person alles andere als ernsthaft diskutiert werden kann, macht er den Herold nicht ohne Segen seines Establishments.
Zur Klarstellung: So bedauerlich und verachtenswert jede Gewalt ist, besonders wenn sie sich gegen Menschen im Dienst der Allgemeinheit richtet, so gefährlich ist die Äußerung von Tauber. Meinungen, die in anderen Ländern der EU Regierungspolitik sind, können in seriösem Umfeld nicht in einen Kontext gestellt werden, der den »Einzelfall« Lübcke – und genau das ist er – zum Totschlagsargument kritischer Vernunft hochstilisiert. Das nennt man eigentlich »Instrumentalisieren«. Tauber begibt sich hier auf den Kriegspfad des einzigen menschgemachten Klimawandels unserer Zeit: Es ist das Klima der gesellschaftlichen Debatte, welches er weiter vergiftet.
Jede Debatte lebt nicht vom Konsens, sondern von der Kontroverse, vom besseren Argument, einer der zentralen Errungenschaften der Aufklärung. Es ist nämlich der teurere Mut zum Gebrauch des eigenen Verstandes, nicht der billige zum Nachbeten regierungsamtlicher Propaganda, der von uns allen abverlangt wird. Tauber macht es sich so einfach wie unverantwortlich.
Es ist alarmierend, wenn jetzt schon Mitglieder seiner eigenen Partei, der CDU, (wie Max Otte und Alexander Mitsch) unter einen moralischen Generalvorbehalt gestellt, ihnen eine Mitschuld an politischen Attentaten attestiert wird. Ruprecht Polenz steht der Sinn gar nach einer regelrechten Säuberung in den eigenen Reihen. Apropos Verrohung des Denkens und der Sprache!
In jedem Falle schreitet offenbar die Fragmentierung der ehemaligen Volksparteien mit großen Schritten voran. Ein Ende ist deswegen nicht abzusehen, weil in naher Zukunft Dreier- und Viererbündnisse noch zusammenzwingen, was eigentlich erstens, nicht zusammengehört, und zweitens, den Wählerwillen – betrachtet man die politischen Inhalte – grob missachtet.
In Sachsen marschiert die CDU schon mit der Antifa!
Wenn die CDU in Sachsen von einer Koalition zu viert spricht, meint das konkret, dass gegebenenfalls AfD und CDU mit jeweils bis zu 30 Prozent immer noch nicht genug Signal für eine konservative Politikwende sind.
Stattdessen kommt das Modell Görlitz zum Einsatz. Dort war in den Tagen vor der Stichwahl der Bürgermeisterkandidat der CDU gar mit Grünen, Linken und der Antifa in derselben Demonstration »gegen rechts« vereint. Wer also CDU wählt, kann durchaus eine Woche später ein letztes Comeback des amtierenden Ministerpräsidenten Kretschmer, jetzt aber von linksgrünen Gnaden, erleben. Was dies für die politische Landschaft bedeutet, ist völlig unabsehbar.
In Berlin scheint man sich mit dem Gedanken anzufreunden, die neuen Bundesländer, ihre Interessen und ihre im Vergleich immer noch geringere Bevölkerung, einfach verloren zu geben.
Die derzeitige Politik wird von grünen Irrationalitäten bestimmt
Steve Bannon hat ganz richtig erkannt: »Politics is downstream from culture.« Nach dem grünen »Marsch durch die Institutionen«, der lange Zeit ohne gesellschaftliches Echo erfolgen konnte, stehen die Ideologen der Achtundsechziger und ihre Wohlstandskinder vor der Ernte der damaligen Saat. Energiewende, ungeregelte Migration, Atom- und Kohleausstieg, Einschränkung individueller Mobilität, Aufgabe der eigenen Staatlichkeit, Gender-Gaga, Klimawahn und weiterer fakten-, ökonomie- und realitätsfreier gedanklicher Zündstoff – am deutschen Wesen soll wieder einmal die Welt genesen, zur Not auch im Alleingang.
Die Frage ist nur: Wird das alles erst krachend scheitern, wenn es seine Lebensunfähigkeit im Alltag erwiesen hat oder können die Bürger dieses Landes ihre im Laufe der Evolution erworbene Intelligenz zur Antizipation gesellschaftlicher Verwerfungen einsetzen und doch noch einigermaßen »die Kurve kriegen«?
Wird sich das Blatt erst wenden, wenn die alten Parteien verschwunden sind – wie in Italien und Frankreich? Oder werden wir das meinungspolitische Gefäß der deutschen Parteienlandschaft herüberretten können – so wie es in Österreich bis vor Kurzem erfolgreich versucht wurde?
Zwischen den beiden Wegen scheint wenig Raum für einen Dritten. Oder doch?
Die Werteunion in der CDU, ein aufmüpfiger Trupp von gerade einmal 2000 Leuten, versucht sich gerade im Wedeln des Schwanzes mit dem Hund. Ihre Analysen decken sich oft mit denen der AfD, allein man fremdelt beflissen. Zu gern möchte man abwarten, wohin die Reise geht, da und dort. Wie gern würde man mit den Teilen der AfD gehen, die fast Fleisch vom eigenen Fleische sind, die Inhalte sind dabei fast geschenkt. Aber Auftreten, Reputation und Wortwahl sollten keine Umstellung nötig machen, das verlorene Bürgertum wollen sie ansprechen, aber von ihren Nachbarn weiter gegrüßt werden. Sie vergessen, dass dieses Bürgertum sich noch niemals vorschnell in konfliktlastige Positionen begeben hat, es schwankt, seit 1848 mindestens.
Waschen – ja! Aber bitte ohne Wasser! Beobachten – ja! Springen? Um Gottes willen!
Ist dies Chance, Qual oder gar Mittel der Wahl?
Die derzeitige Situation könnte dazu führen, recht bald zwischen allen Stühlen zu sitzen. So wie Max Otte, der erst als prominentes CDU-Mitglied Partei für die AfD ergriff und heute weder da noch dort vermittelbar ist. Man muss schon vom einen Ufer ablegen, wenn man ein anderes erreichen will! Die Grünen werden absehbar die Debatten bestimmen, daran hat auch Angela Merkel ihren Anteil. Bevor die unabweisbaren Nachteile grüner und linker Politik den Mittelstand weitgehend zerstört haben werden, ist die CDU – genauso wie jetzt ihre sozialdemokratische Schwester – Geschichte, das Bürgertum, sofern es nicht über üppige Mittel der Selbstbehauptung im durchgestylt grünen Milieu verfügt, heimatlos. Es gibt aus dieser Sicht zum trotzigen Konservatismus der AfD keine Alternative. Und die Zeit arbeitet gegen weiteres Abwarten und Teetrinken. In wenigen Jahren schon werden die einstmals blühenden Landschaften nach der Wiedervereinigung die heute schon zu bestaunende Wirklichkeit von Duisburg, Mannheim oder Teilen Berlins angenommen haben, inklusive versagender Infrastruktur, weiteren Bildungsverlusten und einem nationalen Abrutschen nach dem Vorbild des einstigen Musterlandes Schweden. Mag sein, dass wir dann relativ zu Bulgarien noch prosperieren, relativ zu den globalen Taktgebern ist das jedenfalls vorbei.
Diese CDU wird sich absehbar nicht mehr ändern, das haben die letzten Monate und Jahre gezeigt. Sie ist eine Partei, in der noch immer nicht mit Persönlichkeit und Kompetenz um Mehrheiten gerungen wird, sondern komplette Listen, in Hinterzimmern undemokratisch ausgekungelt, per Akklamation durchgewinkt werden. Ein basisferner Kanzlerwahlverein.
Man muss sich doch nur anschauen, welche konkreten Positionen noch 2006 in Leipzig zu den damaligen wie heutigen Kernthemen Konsens waren. Diese zu kennen und heute von allen den Sprung um 180 Grad zur Voraussetzung von gemeinsamen Werten zu erklären, ist verlogen und hat mit Inhalten im Lichte veränderter Erkenntnisse gar nichts zu tun. Dieses Denken ist auf Macht und Einfluss, auf Posten und Rechthaben ausgerichtet, den dabei unvermeidlichen Starrsinn eingeschlossen. Verraten sind die streng auf Subsidiarität ausgerichteten Europa-Ideale eines Helmut Kohl, von den konservativen Werten Franz Joseph Strauss‘ ganz abgesehen.
Wer dieser CDU – aus welchen Rücksichten auch immer – die Vasallentreue hält und davon träumt, sie sei im guten bürgerlichen Sinn reformierbar, ist der Realität genauso fern wie Merkel, die große Naturwissenschaftlerin, von der 100-prozentigen Klimaneutralität.
Wacht auf oder geht unter!